Auf der 3. Tagung des Deutschen Uhrmacher-Bundes, im August 1904 wird nach eingehender Dikussion, nachfolgende Definition beschlossen:
"Als eine Präzisionsuhr kann, sofern es sich um eine Taschenuhr handelt, nur eine Uhr betrachtet werden, die in allen ihren Teilen aufs sorgfältigste gearbeitet und theoretisch richtig konstruiert ist. Sie muß mit Steinen allerbester Qualität, gehärteter Spiralfeder und aufgeschnittener Kompensationsunruh ausgestattet und in allen Lagen und Temperaturen so genau reguliert sein, daß sie von einer deutschen oder schweizerischen Sternwarte ein Gangzeugnis erlangen könnte"
Auf der dritten Tagung des Deutschen Uhrmacher-Bundes im August 1904 wird mit dem Tagesordnungspunkt 5 „Antrag der Herren Kollegen F. Schlesicky, Aug. Regel Nachf. und Carl Leuchs-Frankfurt a. M. betreffend Bekämpfung der beanstandeten Reklame der Union Horlogére“ ein Sachverhalt behandelt, der als Ausgangspunkt für jahrelange, strittige Auseinandersetzungen zwischen der Uhrmacherschaft einerseits und den Glashütter Uhrenfabrikanten und den Grossisten andererseits zu betrachten ist.
Die 1883 in der Schweiz gegründete „Schweizerische Uhrmacher-Corporation“, die 1900 in „Union Horlogère“ umbenannt wurde, hatte schon wenig später auch eine Niederlassung in Berlin und Frankfurt. Ursprünglicher Zweck des Zusammenschlusses von Uhrmachern war es, durch den gemeinsamen Einkauf bessere Konditionen bei den Uhrenproduzenten zu erreichen.
Aus den kleinen Anfängen wurde mit der Zeit mehr und mehr eine Fabrikantenvereinigung, die sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Ziel gesteckt hatte, größere Marktanteile auf dem Deutschen Markt zu erobern. Der eigens dazu gegründeten Tochtergesellschaft „Gesellschaft der vereinigten Schweizer und Glashütter Uhrenfabrikanten“ gehörte allerdings außer der Glashütter Firma J. Assmann auf deutscher Seite keine der namhaften schweizer Uhrenfabriken an. Die Union Horlogère gehörte auch nicht dem Zentralverband der schweizerischen Uhrmacher an. In einer Art Doppelstrategie wurden in Deutschland einerseits Generalvertretungen angeworben, die zum Teil mit aggressiver Werbung den Eindruck erweckten, nur bei Ihnen gäbe es die besten Produkte der Schweizer und Glashütter Präzisionsuhrenfertigung, und zum anderen wurde die Gründung einer eigenen Produktionsstätte in Glashütte forciert, was zwangsläufig zu Auseinandersetzungen mit der Deutschen Uhrmacherschaft und auch mit etablierten Glashütter Firmen führen musste. Als diese strategische Ausrichtung offenkundig wurde, trat die Firma Assmann 1904 aus der „Union Horlogère“ aus.
In scharfer Form kündigt der Inhaber der Firma A. Lange & Söhne, Emil Lange, auf der Uhrmacher- Tagung 1904 in Berlin an:
„Wenn aber die Uhrmacher sich vereinigten wie in der Union Horlogère und selbst anfingen zu fabrizieren, dann sei die Sache verschoben, dann träten sie in die Reihe der Fabrikanten ein und detaillierten selbst durch ihre Detailgeschäfte. Dann dürfte die Frage entstehen, ob die Fabrikanten noch konkurrenzfähig seien oder ob sie genötigt wären, an Schritte zu denken, die ihnen bis jetzt vollständig fernlägen.“
Mit dieser Ankündigung, war klar, dass man in Glashütte nicht gewillt war, sich den guten Ruf der Glashütter Präzisionsuhrenfertigung durch minderwertigere Produkte beschädigen zu lassen.
Mit der durch die durch die Union Horlogère 1909 erfolgten Gründung der „Präcisions-Uhrenfabrik Alpina Glashütte“, in der z.B. Schweizer Rohwerke mit Glashütter Hemmungsteilen aufgewertet und als Glashütter Uhren auf den Markt gebracht wurden, eskalierte ein jahrelanger Streit bis zu gerichtlichen Auseinandersetzungen darum, was sich „Glashütter Uhr“ nennen durfte oder nicht.
Die im traditionsreichen, sächsischen Uhrenstädtchen Glashütte ansässige Firma A. Lange und Söhne war, ganz in der Tradition ihres 1875 verstorbenen Begründers der Glashütter Uhrenproduktion Ferdinand Adolph Lange, nicht zuletzt aber auch im eigenen Interesse, bestrebt alles dafür zu tun, dass in Glashütte nur Uhren mit vom Glashütter Verlagssystem gefertigten Komponenten, in hoher handwerklicher Qualität hergestellt werden. Ähnlich wie bei dem Kodex der Schweizer Uhrenproduzenten ging es im Grunde darum, dass zur Sicherung der alteingesessenen heimischen Firmen und den damit verbundenen Arbeitsplätzen, nur die Uhren als „Glashütter Uhr“ vermarktet werden durften, die auch nach den vorgenannten Prinzipien gefertigt wurden. Die Entwicklung und Einführung neuer Technologien, wie zum Beispiel der Schablonenuhrfertigung, die auch an Glashütte nicht Spurlos vorübergehen konnten, hatten zur Folge, dass die Firma Lange für die Verwendung des Begriffes „Glashütter Uhr“, auch mit Klagen vor Gericht, gegen die Firmen Nomos, J. Assmann und Alpina, den Erhalt der althergebrachten Fertigungstechnologien durchsetzen wollte.
Über die Bezeichnung „Glashütter Präzisionsuhren" veröffentlichte die Industrie- und Handelskammer Dresden in der Ende Juli 1930 erschienenen Nummer ihrer „Mitteilungen" folgende Stellungnahme:
„Auf Anfrage eines Prozeßgerichts berichtete die Kammer über den Ausdruck .Glashütter Präzisionsuhr', daß er eine
mindestens im wesentlichen in Glashütte selbst hergestellte Uhr bezeichne, die durch .Feinstellen' (Präzisionsreglage) eine über Jahrzehnte sich gleichbleibende Leistung als Zeitmesser
aufweise."
Wie man aber nun genau den „überwiegenden Teil“ an Wertschöpfung errechnet, ist eine schwierig zu klärende Frage. Denn selbst unter anerkannten Fachleuten war und ist diese Frage, auch auf Grund der sich ständig weiterentwickelnden technischen Voraussetzungen und Produktionsbedingungen, nicht nur bei der Uhrenfertigung, bis heute umstritten. Ein hoher Wertschöpfungsgrad kann nämlich nach heutiger Definition auch durch den Einsatz billiger und qualitativ schlechter Rohwerke erreicht werden.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass es auch in letzter Zeit in der Frage der Einhaltung der so genannten „Glashütte Regel“ zu juristischen Auseinandersetzungen mit entsprechenden Gutachten und Urteilen gekommen ist. Aber auch die Sachverständigen regen in ihren Gutachten an, die Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ neu zu definieren um für die Zukunft die Rechtssicherheit in dieser Frage zu verbessern.
Signaturen auf Werken, Gehäusen und Zifferblättern, die nicht der "Glashütte-Regel" entsprechen:
System Glashütte
Neues System Glashütte
Montiert in Glashütte
1934
1935
Medieninformation der Sächsischen Staatsregierung zum Beschluss des Bundeskabinetts zum Erlass der Verordnung zum Schutz der geografischen Herkunftsangabe „ Glashütte“ (Glashütteverordnung) von 22. Dezember 2021.
11.02.2022
Quelle:https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/bundesrat-mehr-sicherheit-fuer-uhrenhersteller-in-glashuette-amp11991536
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.