Der 1928 von der UdSSR erfolglos gemachte Versuch in Deutschland Produktionskapazitäten und Know-How für den planmäßigen Aufbau einer eigenen Uhrenindustrie zu gewinnen, wurde 1930 erneut, nun mit gewissen Erfolgen, unternommen. Es gelang zwar nicht Fabrikanlagen zu erwerben, aber gut ausgebildete Uhrmacher und Feinmechaniker konnte man vor allem in Glashütte gewinnen. Die durch den Konkurs der „Präzision“ und die Weltwirtschaftkrise bedingte hohe Arbeitslosigkeit in der Region war wohl auch ein Grund dafür, dass sich zwölf Glashütter Fachleute entschlossen hatten, einen Fünfjahresvertrag abzuschließen, der ihnen bis zum 7. November 1935 Arbeit und Einkommen an der 1. Moskauer Uhrenfabrik sicherte.
Im Einzelnen handelte es sich dabei um Fritz Bernhard, Willy Dittrich, Willy Estler, Ernst Hruschka, Eugen Kulms, Paul Mende, Alfred Moche, Johannes Moche, Alfred Reichel, Hans Titel, Fritz Walter und Alfred Weichel. Auch aus dem süddeutschen Raum und Ruhla gingen einige Fachkollegen mit in die damalige UdSSR. Das die Betreffenden dem damals noch jungen, vorwärtsstrebenden Sowjetsystem nicht gerade feindlich gesonnen waren, darf dabei wohl unterstellt werden. Vorgesehen war, dass je nach vorliegender Qualifikation der Einsatz der deutschen Kollegen sich im Bereich Ausbildung von Facharbeitern der Uhren- und feinmechanischen Industrie erfolgen sollte, was dann auch umgesetzt wurde. Einige waren in der Konstruktionsabteilung tätig um auch in diesen Bereich ihre Erfahrungen zu vermitteln.
Die Verträge sahen vor, dass neben den in Rubel ausgezahlten Lohn, auch ein Teil des Einkommens in Valuta der Familie in Deutschland, sofern eine vorhanden war, zukommen sollte. Soweit bekannt, wurden die vertraglichen Verpflichtungen von der Arbeitgeberseite eingehalten. Immerhin blieben die Hälfte der Glashütter Kollegen in der UdSSR, wurden Staatsbürger der Sowjetunion und haben zum Teil auch in Moskau eine Familie gegründet. 1937 kehrte Johannes Moche als vorletzter der „Gastarbeiter“ in die Heimat zurück. Sein Bruder Alfred musste noch eine Haftstrafe in Moskau absitzen, weil er 1936 einer in „Ungnade gefallenen Familie“ in finanzieller Hinsicht solidarisch geholfen hatte. Den Berichten der Zurückgekommenen ist zu entnehmen, dass sich ihnen ein zwiespältiges Bild der Arbeits- und Betriebsorganistion vermittelt hat. Die meist angelernten Arbeiter und Arbeiterinnen kamen von völlig artfremden Tätigkeiten, zum Teil aus der Ladwirtschaft. So war es nicht verwunderlich, dass es mit Elan allein nicht getan war, wenn präzise laufende Uhren mit einem gewissen Qualitätsanspruch gefertigt werden sollen. Zwei Beispiele sollen dazu genannt werden. Erstens war der „Wasserkopf“ an Verwaltung viel zu groß und zweitens waren, wenn der Plan z.B. mit 96% erfüllt wurde, im Anschluss 80% davon nachzuarbeiten bzw. zu reparieren, falls das überhaupt noch möglich war. Das sollte sich erst viele Jahre später, nach dem 2. Weltkrieg, zum Besseren ändern.
Für den Gebäudebestand galt die Qualitätssteigerung in den folgenden Jahrzehnten allerdings nicht, wie die Ansicht der hinteren Gebäudefront des später in "Polyot" umbenannten Betriebes sichtbar macht.
In diese Fabrik wird 1945 das gesamte bewegliche Inventar der UFAG und UROFA als Reparationsgut verbracht. Bis 1950 wurde anfangs mit den von der UROFA vorgefertigten Teilen der Fliegerchronograph Kaliber 59 gefertigt.
Die Kenntnis in der 1. Moskauer Uhrenfabrik um die Qualitätsprodukte aus Glashütte könnte durchaus dazu beigetragen haben, dass Begehrlichkeiten nach den Glashütter Fabriken geweckt worden sind und in der Folge der Demontagebeschluss befördert worden ist. Der Zielort des Reparationsgutes und die Produktion des Fliegerchronographen lassen zumindest diese Vermutung zu.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.