Auf dieser Seite werden in chronologischer Reihenfolge die Ursachen, die Umstände, der dynamische Prozess hin zum Konkurs und die Folgen bis zur Gründung der neuen Glashütter Uhrenfabrik A. G. , der späteren Ufag und der Uhren-Rohwerkefabrik Glashütte A. G. Urofa im Dezember 1926 im Wesentlichen anhand von Veröffentlichungen dargestellt werden.
Die gelb hinterlegten Textpassagen in den Veröffentlichungen sollen es erleichtern, die jeweils handelden Personen sowie die Abfolge der Entwicklung hin zu den beiden neuen Glashütter Aktiengesellschaften nachzuvollziehen.
* RGB: Reichsgesetzblatt * Goldmark-Eröffnungsbilanz * Rentenbank
Inventarliste der in Konkurs befindlichen "Deutschen Präzisionsuhren Fabrik Glashütte e. G.m.b.H. Sa."
Am 06. Juli des Jahres 1925 legte Herr Canzler, der vom Amtsgericht eingesetzte Kon- kursverwalter der Präzision, dem Konkursgericht eine Liste mit der Aufstellung des nach dem 19. Juni, dem Tag der Einreichung des Konkursantrages durch den Hauptgläubiger, die Girozentrale Dresden, noch vorhandenen Inventars zur Feststellung der Konkursmasse und fälligen Inanspruchname der Haft- pflichtsumme für die Mitglieder der Genossenschaft vor. Besonders bemerkenswert war dabei, dass noch Rohmaterial, Halbfabrikate und fertige Uhren im Wert von 770.841,38 Mark vorgefunden wurden. Allein der Wert, der auf Lager produzierten Präzisionstaschenuhren belief sich auf 331.008,00 Mark. Bei einem Werkabgabepreis von 468,- Mark waren am Lager noch über 700 Deutsche Präzisionsuhren „Original Glashütte“ vom Kaliber 43 Typ 1 & Typ 2 vorhanden, die zuerst von der Dresdener Girozentrale und in der Folgezeit vom Vorstand der Uhrenfabrik AG Glashütte, Dr. jur. Ernst Kurtz, abgesetzt wurden.
Im März 1926 erscheint in der Uhrmache-Woche unter der Überschrift Uhrenverkauf durch die Girozentrale Sachsen ein Artikel, der den Unmut der Mehrheit der Mitglieder der im Juni 1925 in Konkurs gegangenen Deutschen Präzisionsuhrenfabrik Glashütte e.G.m.b.H hervorruft und der folgenden Inhalt hat:
„Uns liegt ein Prospekt der „Girozentrale Sachsen, öffentliche Bankanstalt,
Dresden" vor, in welchem diese Bank den Beamten ihrer Schwesteranstalten
mitteilt, daß sie in der Lage sei, aus den Beständen der Deutschen Präzisionsuhrenfabrik Glashütte goldene Herrenuhren außerordentlich preiswert anbieten zu können. Der Preis liege etwa 20"',, unter dem Listenpreis, zu dem die Uhren an die Uhrmacher abgegeben würden. (!) Der Ladenpreis schwanke je nach der Verdienstspanne zwischen USX. — und ISX. — Als Ziel könnten zwei Monate gewährt werden, bei sofortiger Barzahlung 25 M Rabatt usw.
Dieser Prospekt ist als eine ungeheuerliche Herausforderung und Schädigung des deutschen Uhrmachergewerbes anzusehen. Die Girozentrale sollte sich darüber klar sein, daß sie als öffentliche Bankanstalt auch die Pflicht hat, von offensichtlichen Schädigungen weiterer Volkskreise abzusehen. Wir verzichten heute darauf, zu der Angelegenheit noch weiter Stellung zu nehmen und Gegenmaßnahmen zu unterbreiten, da uns von den Vereinigten Werken Deutscher Uhrmacher mitgeteilt wurde, daß die Girozentrale die Versicherung abgegeben habe, daß die Uhren künftig nur über die Uhrmacher in den Handel gebracht werden würden. Wir hoffen, daß diese Versicherung strickte eingehalten wird.“
Wenn die Vereinigten Werke Deutscher Uhrmacher im Namen der Girozentrale eine solche Versicherung abgeben kann, ist davon auszugehen, dass sie als Dachgesellschaft des vom ehemaligen Generaldirektor Muschan geschaffenen Firmenkonsortium der Präzisionsuhrenfabrik in dieses unseriöse "Geschäft" involviert war. Da die Präzision in Glashütte sozusagen das "Kind" des Zenralverbandes der Deutschen Uhrmacher und der Interessenvertreter der Mitglieder der Genossenschaft war, ist besonders pikant, dass der ehemalige Justiziar des Zentralverbandes der Deutschen Uhrmacher, Dr. jur. Ernst Kurtz, auf betreiben des ehemaliges Aufsichtsratsmitglied der „Präzision“, Vorsitzenden des Gläubigerausschusses und Direktor in der Giro- zentrale Sachsen, Geheimrat Dr. von Loeben, seit dem 6. März 1925 Geschäftsführer der Vereinigten Werke war. Der "Frontenwechsel" von Dr. jur. Ernst Kurtz begündete auch im April 1926 seine Kariere als Geschäftsführer der Uhrenfarik Hohenstein, die als eigenständige G.m.b.H. ebenfalls zum Firmenkonsortium der Präzision gehörte, sowie die sich im Dezember 1926 anschließende Berufung als Vorstand der Uhrenfabrik AG Glashütte und der Uhren-Rohwerkefabrik AG Glashütte durch den hauptsächlich aus Direktoren der Girozentrale bestehenden Aufsichtrat.
Handelsgerichtliche Eintragung:
Firma Vereinigte Werke Deutscher Uhrmacher G. m. b. H. in Leipzig Querstr. 15. Hugo Erich Pertz ist als Liquidator ausgeschieden. Zum Liquidator ist bestellt Dr. Jur. Ernst Kurtz in Leipzig.
Die Uhrmacher-Woche 1927 Nr.12 S.195
Den Bestrebungen der im Zentralverband der Deutschen Uhrmacher organisierten Uhrmacher 1918 mit einem eigenen genossenschaftlich geführten Industriebetrieb über eine eigene fabrikmäßig gefertigte, preiswerte „Uhrmacheruhr“ zu verfügen und darüber hinaus diese in qualitativ verschiedenen Ausführungen zu einer eigenen Markenuhr bzw. Uhrenmarke zu entwickeln, waren von Anfang an in der sich nach dem 1. Weltkrieg stürmisch entwickelnden industriellen Uhrenfertigung enge Grenzen gesetzt.
Der auch durch den Krieg bedingte technologische Rückstand gegenüber der Schweizer Uhrenindustrie und die bis 1924 gültigen Ex- und Importbeschränkungen auf diesem Gebiet machten das Vorhaben, jedenfalls in der geplanten Form und aus heutiger Sicht, zu einem hoch riskanten Unternehmen.
Es wäre schon ein Quantensprung in der Entwicklung der materiell-technischen Basis nötig gewesen, um in kürzester Zeit eigene, konkurrenzfähige Produkte zu entwickeln und auf dem Markt zu etablieren. Dazu hätte es aber Investitionen in Größenordnungen bedurft, zu denen die organisierte Uhrmacherschaft allein damals weder Willens noch in der Lage gewesen wäre.
Auch der rasch wachsende Trend zur preiswerteren Armbanduhr und der damit verbundenen industriellen Massenfertigung wurde von der deutschen Uhrmacherschaft, aber auch von den Protagonisten der Glashütter Uhrenindustrie zu lange unterschätzt.
Die handwerklich gefertigte, hochwertige Präzisionstaschenuhr „fürs Leben“, die dann auch noch vom Vater auf den Sohn vererbt wurde, entsprach nicht mehr dem damaligen Zeitgeist. Die Zeit der Taschenuhr neigte sich überhaupt ihrem Ende entgegen. Schlussendlich mussten sich auch die im Zentralverband organisierten deutschen Uhrmacher und die von Ihnen gewählte Führungsebene im Verband den Gesetzen des Marktes beugen.
Es vollzieht sich in den 1920er Jahren in Glashütte, aber nicht nur dort, ein Entfremdungsprozess zwischen dem altehrwürdigen Handwerk der Uhrmacher und einer von den Banken mit entsprechendem Kapital gestützten Entwicklung von den kleineren Personengesellschaften zu größeren, mehr Rendite versprechenden Aktiengesellschaften. Es entwickeln sich mit großen Kaufhäusern und dem beginnenden Versandhandel auch für den Uhrenhandel neue Marketing- und Vertriebsformen, denen von der Uhrmacherschaft bis in die zweite Hälfte der 1920er Jahre hinein nicht genügend Beachtung geschenkt wurde.
Insofern wird dieser Wandel mit der Geschichte der Glashütter Präzisions-Uhrenfabrik bis zu ihrem Konkurs und der sich daran anschießenden, durch die Girozentrale Sachsen gestützten Etablierung einer langfristig auf Großserienproduktion ausgerichteten modernen Armbanduhrindustrie in Glashütte eindeutig dokumentiert.
Leider vollzieht sich dieser Prozess in einer für die in der ehemaligen Genossenschaft organisierten Uhrmacher und den damals Beschäftigten in der Glashütter Uhrenindustrie recht schmerzlichen Art und Weise.
Mit den durch die Direktoren der Girozentrale Sachsen am 7. Dezember 1926 in Glashütte, gegründeten Aktiengesellschaften Uhrenfabrik Glashütte (Ufag) und Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte (Urofa) wird mit der ersten deutschen Rohwerke-Fabrik der Paradigmenwechsel hin zu einer größeren, arbeitsteiligeren, weitgehend automatisierten, industriellen Armbanduhrfertigung in Glashütte und in Deutschland überhaupt eingeleitet. Dies hat die sächsische Kleinstadt sowie ihre Bürger die nächsten Jahrzehnte bis in die heutige Zeit hinein geprägt und wird sie sicher auch weiter prägen.
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An dieser Stelle wird der Beitrag, der Vollständigkeit halber noch mit den zusammengefassten "Mitteilungen des Schutzverbandes für die Genossen der Präzisions-Uhrenfabrik Glashütte" ergänzt.
Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Bitte haben Sie etwas Geduld.
Konkursordnung des Deutschen Reiches von 1877