Am 14. Juni und 2. August wurde in Glashütte von den Berliner Fabrikbesitzern und Brüdern Leo und Albert Loeske, dem Apotheker Dr. Hugo Michaeles sowie den Kaufleuten Alfred Michaeles und Siegesmund Schlesinger, die ebenfalls in Berlin ansässig waren, die „Glashütter Präzisionsuhren-Fabrik, Aktiengesellschaft“ in Glashütte mit einem Grundkapital von 100.000 Mark gegründet. [1] Die 100 Aktien zu 1000 Mark wurden von dem vorgenannten Personenkreis zum Nennwert übernommen. Der Aufsichtsrat bestand aus Leo Loeske, Albert Loeske und Dr. Hugo Michaeles. Als angestellter Vorstand wurde vom Aufsichtsrat der Glashütter Uhrenfabrikant Ernst Kasiske bestellt. Ernst Kasiske hatte dem Konsortium zwar sein Grundstück für den Fabrikstandort verkauft, wurde aber kein Anteilseigner der neuen Uhrenfabrik. [1] [2]
Aus nachfolgenden Veröffentlichungen geht eindeutig hervor, dass sich die Union horlogère nach dem zu Jahresbeginn 1904 erfolgten Austritt ihres einzigen Glashütter Mitgliedes, der renommierten Firma „J. Assmann“, und dem damit verbundenen erheblichen Verlust an Einfluss auf dem deutschen Markt mit der „Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges.“ der Gebrüder Loeske Mitte des gleichen Jahres umgehend ein neues „Standbein“ in Glashütte geschaffen hatte.
Union Horlogère
Internationale Uhrenfabrikation- und Handelsgesellschaft
Biel & Genf
Eigene Fabrik in Glashütte, Sachsen.
oder
Union Horlogère
Gesellschaft von Schweizer und Glashütter Uhrenfabrikanten
Biel, Genf, Glashütte.
Jede anders lautende resp. Anders auffaßliche Kundgebung und Benützung der gesellschaftlichen Firma ist untersagt.“ [7]
Rechnung vom 10. Mai 1912
Das „Lexikon Der Deutschen Uhrenindustrie 1850-1980“ der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie, Autor: H. H. Schmid, sowie die Fachbücher „Meister der Uhrmacherkunst“ von Jürgen Abeler (2. Auflage, 2010) und „Clock & Watch Trademark Index“ vom Autor Karl Kochmann (USA, 2007) benennen die Berliner Firma L. Loeske mit einem direkten Bezug nach Biel in der Schweiz.
Hersteller:
Leo Loeske Berlin Gertraudtenstraße 13/14 & Biel Schweiz Potsdamerstr.7a,
Herstellung: Fabrikation & Großhandel von Taschenuhren aller Art.
Jürgen Abeler vermerkt ergänzend „Erweitert noch 1904“ und auch bei Karl Kochmann wird mit Wirkung vom 16. Juni 1904 eine Erweiterung vermerkt. [8], [9], [10]
1905
In ihrem Geschäftsbericht weist die Union Horlogère für ihr Glashütter Unternehmen, die "Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges." einen Verlust 4.000 Goldmark und die Fertigung von gerade einmal 14 Taschenuhren aus.
Das Fabrikgebäude der Glashütter Präzisions-Uhrenfabrik Akt. Ges. Bei dem Flachbau auf der linken Bildseite handelt es sich um den Anbau der Gehäusefabrikation.
Die Anwendung einer modernen, industriellen Fertigungstechnologie sollte mit einem hohen Automatisierungsgrad größere Serien bei höchsten Qualitätsstandards ermöglichen. Dazu war aber damals auch noch eine Beschränkung in der Sortimentsbreite erforderlich. So konzentrierte man sich in der Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik im Wesentlichen auf ein Kaliber mit 43 mm Durchmesser und erreichte immerhin einen jährlichen Produktionsausstoß von ca. 1.000 Taschenuhren. Im Vergleich zu der bisher in Glashütte üblichen manufakturellen Fertigungstechnologie und dem damit verbundenen Verlagssystem mit den üblichen Seriengrößen von 20 - 100 Uhren für ein Modell konnte man jetzt für Glashütte erstmals von einer echten industriellen Serienproduktion einer Schablonenuhr sprechen, die es ermöglichte bei Beibehaltung eines hohen Qualitätsstandards marktgerecht preiswertere Uhren für eine breitere Käuferschicht auf den Markt zu bringen.
Mit der Werknummer 100001 begann 1904 in Glashütte die von den Berliner Uhrenfabrikanten und Investoren Gebrüder Loeske gegründete „Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges.“ mit der Fertigung der ersten von dem Glashütter Verlagssystem unabhängigen Glashütter Präzisionstaschenuhr. Als angestellter Vorstand ohne eigene Aktienbeteiligung wurde der vormalige Glashütter Uhrenfabrikant Ernst Kasiske berufen. Der neue moderne Maschinenpark war auf der Basis der in der Schweizer Uhrenindustrie bereits seit Jahrzehnten eingeführten Schablonenuhrfertigung aufgebaut. Mit "Bonitas" handelt es sich um eine sehr frühe Zifferblattsignatur, die bisher noch nicht dokumentiert war. Auf den ersten Blick sieht das Werk der bisher vorwiegend handwerklich gefertigten Glashütter Uhr täuschend ähnlich. Das „Herzstück“ der Uhr, die Hemmung, ist aber nicht mehr die von der ersten Generation der Glashütter Uhrenfabrikanten, Adolph Lange, Julius Aßmann, Moritz Großmann und Adolf Schneider entwickelten „Glashütter Hemmung“, sondern eine von Ernst Kasiske Erfundene, die er sich 1902 patentieren ließ. Erst zum zweiten Mal wurde damit eine preiswertere Glashütter Präzisionstaschenuhr auf den Markt gebracht, die recht bald zu einer echten Konkurrenz des Marktführers, der Firma "A. Lange & Söhne", avancierte. Das erste Mal hatte 1895 der aus den USA stammende Glashütter Uhrmacherschüler Frederick Gruen das von ihm entwickelte Taschenuhrwerk „Fortschritt“ mit der Firma „J. Assmann“ nach der neuen Schablonenuhrtechnologie, die auf eine industrieelle Fertigung und größere Austauschbarkeit von Werkkomponenten zielte, in Glashütte produziert.
Dieses Präzisionstaschenuhrwerk Glashütter Bauart wurde mit einer weiterentwickelten Glashütter Hemmung, der bekannten Dreiviertelplatine als 4 Pfeilerwerk mit 16 Steinen nach industriellen Maßstäben mit einem hohen Automatisierungsgrad in hoher Qualität gefertigt. Die Modellvielfalt wurde im Wesentlichen durch unterschiedliche Gehäusevarianten realisiert. Eingeschalt wurden die Werke in Gold- oder Silbergehäuse aus der eigenen Gehäusefertigung in Lepine oder Savonnette Gehäuse. Neben Herrentaschenuhren wurden auch im bescheidenen Umfang Damentaschenuhren mit diesem Werkaufbau, aber mit kleinerem Durchmesser gefertigt.
Da die Qualität dieser Präzisionstaschenuhren mit denen der alteingesessenen Hersteller durchaus zu vergleichen war, wurde die Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges. mit ihrer moderneren Fertigungstechnologie zur ersten echten Konkurrenz für die alteingesessene Glashütter Verlagsindustrie mit der Firma A. Lange & Söhne an der Spitze.
Zur Übersicht der Modellausführungen gelangen Sie >> hier <<
Eine neu entwickelte Glashütter Hemmung kommt zum Einsatz.
Die Werke der Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges. wurden von Anfang an mit dem bereits 1902 von Ernst Kasiske zum Patent angemeldeten und seit 04. November unter Patentschutz stehende neue Glashütter Ankerhemmung, ausgestattet.
Der Ankerweg der neu entwickelten Glashütter Hemmung mit Goldanker, verdeckten Paletten und Goldankerrad wird nicht mehr durch die bisher üblichen Stifte und die Bohröffnung in der Platine, sondern durch zwei gegen den Rücken desselben gerichtete Stifte, begrenzt. Durch diese neue, innovative Konstruktion wurde die Ankergabel frei und wirkt bei einem etwaigem Prellen der Unruh federnd. Das Abbrechen des Hebesteins wird infolgedessen vermieden. Durch diese Konstruktionsweise wurde der vielfach vorkommende Fehler vermieden, dass sich das Öl von den Ankerklauen der Begrenzung mitteilt, wodurch der Anker klebt und der Gang beeinträchtigt wird.
In der modernen, auf industrielle Fertigung ausgerichteten Fabrik wurden auch schon, allerdings noch in bescheidenem Umfang, serienmäßig die ersten Glashütter Damenarmbanduhren gefertigt. Dieses Modell einer DAU im 14-karätigen Goldgehäuse mit Klappscharnier und einem ebenfalls 14-karätigen dehnbaren Goldgliederarmband kostete 1913 immer noch den beachtlichen Preis von 350,- Mark. Die Luxusausführung, bei der die Lünette mit 8 Brillianten besetzt war, war zum Preis von 450,- Mark zu bekommen. Insgesamt wurden vier Varianten dieser Uhr gefertigt.
Werbematerial aus der Zeit 1904-1914
Bei den heutigen Sammlerobjekten, hat es sich früher in der Regel um Gebrauchsgegenstände gehandelt, die ab und zu schon mal Schäden am Gehäuse, Zifferblatt, Zeigern und durch Feuchtigkeit unter Umständen auch am Werk genommen haben. Nicht selten waren auch Gläser, Bügel und Kronen waren betroffen. Bei Reparaturen konnte und wurde auch nicht immer auf einen originalen Ersatz geachtet. Auch wurde aus Not heraus, schon mal das Wertvolle Goldgehäuse verkauft und durch minderwertige Gehäuse ersetzt. Werbeprospekte und Kataloge aus der Zeit der Fertigung der jeweiligen Uhrenmodelle bieten Heute oft die einzige Möglichkeit, das originale Aussehen der jeweiligen Modellpalette der Entsprechenden Firmen mit den unterschiedlichen Ausführungsvarianten, zu beurteilen.
Dreisprachiges Werbeprospekt um 1910 mit Werkbeschreibung, Modellpalette, Goldgewicht- und Preisangaben.
Der Niedergang und das Ende der Firma durch den 1. Weltkrieg
Die mit dem Beginn und Verlauf des ersten Weltkrieges 1914-1918 verbundenen Probleme in Deutschland stoppten eine Weiterführung der Erfolgsgeschichte so nachhaltig, dass die Firma 1918 aufgegeben und mit allen Grundstücken, Gebäuden und Inventar für 500.000 Mark am 31. August 1918 in Berlin verkauft wurde.
Nachdem die am 26. August in Leipzig tagende Gründungsversammlung des „Verein zur Förderung der Taschenuhrproduktion“, Herrn Hofuhrmacher Hiller aus Stuttgart beauftragt hatte eine Uhrmachergenossenschaft m. b. H. zur Gründung einer Taschenuhrenfabrik ins Leben zu rufen und in Verbindung mit der Kriegsindustriezentrale Glashütte in diesem Sinne zu Verhandeln und abzuschließen, wurde nach einer zweiten Besichtigung am 30. August, am 31. August in Berlin mit den Eigentümern der Kaufvertrag abgeschlossen.
Die Grundlagen für das Entstehen der
Deutsche Präzisions-Uhrenfabrik Glashütte in Sachs. e. G. m. b. H. (DPUG).
waren geschaffen.
Damit endete zwar der erster Abschnitt in der Geschichte eines industriellen, serienmäßigen Glashütter Präzisionsuhrenbaus, aber nicht der Bau von Präzisionstaschenuhren an sich. Neben den immobilen Werten standen der neuen Präzisionsuhrenfabrik noch Halbfabrikate für annähernd 3.000 Präzisionstaschenuhren der alten Aktiengesellschaft als auch der gesamte Maschinenpark der verkauften Firma sowie auch die nach dem Ende des 1. Weltkriegs zurückgekehrten Fachkräfte zur Verfügung.
Da die "Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges." die Nummerierung ihrer Taschenuhren Kaliber 43 Typ1 1904 nachweislich mit der Nummer 100000 begonnen hatte und die höchste bisher nachweisbare noch existente Taschenuhr dieser Firma die Werknummer 104668 hat, dürfte es als sicher gelten, dass die von Kurt Herkner in seinem Buch "Glashütte und seine Uhren" auf Seite 212 geäußerte Vermutung, dass von dieser Firma ca. 15.000 Taschenuhren gefertigt wurden, sich als nicht zutreffend erwiesen hat. Gestützt wird diese Annahme auch dadurch, dass bei den von der " Deutschen Präzisionsuhren Fabrik e.G.m.b.H Glashütte Sa." 1918 von der "Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges." übernommenen und vollendeten Rohwerke die 100.000er Nummerierung ebenfalls übernommen und beibehalten wurden und die höchste bisher (05/2013) bekannte Werknummer des von der DPUG übernommenen und vollendeten Kaliber 43 Typ 1 die Nr. 105460 ist.
Zu der im Entstehen befindlichen Erfassungsliste noch existierender Uhren und Werke gelangen Sie >> hier <<
Sammlerfreunde, die zur Erweiterung der Liste beitragen wollen, sind dazu herzlich eingeladen und können >> hier <<, ihre Bereitschaft signalisieren.
Die hier vorgestellte goldene Präzisionstaschenuhr mit der identischen Werk- und Gehäusenummer 102342 wurde etwa 1910 gefertigt. Es handelt sich dabei um die 2.342 Taschenuhr der Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Aktien Gesellschaft Glashütte i/Sa. Insgesamt wurden von der Firma von 1905 bis 1914 ca. 5000 dieser Uhren vom Kaliber 43 Typ1 gefertigt. Eingeschalt wurden sie überwiegend in goldene, offene, als auch in Savonettegehäuse mit einem Feingehalt von 585/1000. Die Gehäuse stammten aus eigener Fertigung. Die 16-steinigen Werk sind u. a. mit einer kompensierenden Chronometer-Unruh mit Regulier- und Gewichtsschrauben sowie einer gehärteten Breguetspirale mit Endkurve nach Philips ausgestattet. Die Aktiengesellschaft legte wert auf eine eigene Teilefertigung und bezog sie nicht von den Firmen der Glashütter Hausindustrie. Als Hemmung kam eine 1902 von Ernst Kasiske entwickelte und patentierte, neue Glashütter Hemmung zu Einsatz.
Taschenuhr der Glashütter Präzisions-Uhren-Fabrik Akt. Ges.
Die hier vorgestellte offene Taschenuhr im Silbergehäuse mit einem Feingehalt von 900/1000 wurde von der Präzisionsuhren Fabrik Akt. Ges. Glashütte etwa um 1914 gefertigt. Die 1904 von einem Konsortium mit auswertigem Kapital gegründete Firma fertigte ihre Glashütter Präzisionsuhren mit der damals modernsten Technik. Auch kam hier nicht mehr der von Adolf Lange entwickelte und von den anderen Glashütter Uhrenfabriken verwendete Glashütter Ankergang zur Anwendung. In den vorwiegend im Kaliber 43 gefertigten Taschenuhren mit 3/4 Platine kommt eine von dem Glashütter Uhrenfabrikannten Heinz Kasike in den 1890er Jahren neu entwickelte Hemmung zum Einsatz. Heinz Kasiske, auf dessen ehemaligem Grundstück sich das Fabrikgebäude befand, wurde vom Aufsichtsrat der Akt. Ges. zum angestellten Fabrikdirektor bestellt. Er besaß keinerlei Anteile an der Gesellschaft.
Dieser Ersatzteilkasten ist einer der wenigen noch erhaltenen originalen Artefakte dieser Uhrenfabrik.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen entsprechend ergänzt.
Die Seite wurde zuletzt am 16.01. 2013 aktualisiert.