Der zweite Weltkrieg hatte auch unter den Fachleuten in der Glashütter Uhren- und Feinmechanischen Industrie sehr große Lücken gerissen, die nicht von heute auf morgen zu schließen waren. In den einzelnen Betrieben, waren schon 1946 erste Anfänge in der Heranbildung neuer Fachkräfte gemacht worden. Vor allem bei der Produktionsgemeinschaft Precis Glashütte waren in dieser Hinsicht großer Mangel. Wenn man aber wieder die Massenfertigung von Armbanduhren aufbauen wollte, war es erforderlich, in größerem Umfang Fachleute auszubilden bzw. umzuschulen. Da ab 1948 die Mehrzahl der Betriebe der Glashütter Uhrenindustrie der im gleichen Jahr gebildeten VVB Mechanik Dresden als einem zentralen Leitorgan beim Aufbau der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR im damaligen Land Sachsen zugeordnet waren, oblag es auch dieser Institution sich um die Ausbildung von Fachleuten zu kümmern. In einem vor 1945 für die Kriegswirtschaft genutzten, jetzt aber leer stehenden Betrieb fand man geeignete Räumlichkeiten, die auch erweiterungsfähig waren. 1949 begannen im später „Lehrkombinat Makarenko“ genannten Ausbildungswerk Glashütte, der neuen, zentralen Ausbildungsstätte für Lehrlinge Uhren- und Feinmechanischen Industrie, 40 Lehrlinge ihre Ausbildung. Bereits 1953 musste das Lehrkombinat durch Ausbau beträchtlich erweitert werden. Nach Beendigung der Arbeiten betrug die Kapazität, zu der auch Internatsplätze gehörten, 220 Personen.
1949 - Der erste Lehrlingsjahrgang des Ausbildungswerkes Glashütte
Viel Wert wurde von dem Betreiber des Ausbildungswerkes neben der fachlichen Ausbildung auch auf die kulturelle Freizeitgestaltung gelegt.
v.l.n.r.: Helmut Huhle, Thea Lorber, Heinz Schwenke, RudiFritz, Heinz Sauerwald, Helmut Hofmann und Hans Hahn.
v.l.n.r.:Klavier - Dieter Schuricht, Klarinette - Günter Grahl, Arkodeon - Jörg Richter, Schlagzeug Gerhard Wolf, Trompete - Rudi Belger, Bass - Heinz Feist.
Im Hintergrund links, das Bild vom Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck und rechts das Bild des ersten Ministerpräsidenten der DDR Otto Grotewohl
Der Zeitzeuge und Lehrling der ersten Stunde Dieter Waldt berichtet in seinem Buch "Sandige Wege" auch über seine
Ausbildungszeit in Glashütte von 1949 bis 1951.
Die Ausbildung 1955
Bereits 1959 wurde bei der GUB damit begonnen die Lehrlingsausbildung nach „fließbandähnlichen Methoden durchzuführen“. Ziel war es die Lehrlinge möglichst schnell mit den für sie als Facharbeiter nötigen routinemäßigen Arbeitsschritten vertraut zu machen und das Montage- tempo denen der Facharbeiter bei Einhaltung der Qualitäts-standards anzugleichen. Über die Erfahrungen mit diesen, damals modernen Aus- bildungsmethoden berichtet der Lehrmeister im VEB GUB E. Jänich 1966 in der Fachpresse.
1964
Ein Zeitzeugenbericht des ehrmaligen Werkzeugmacher-lehrlings Bernd Scheffler an der Betriebsberufschule Makarenko des VEB Glashütter Uhrenbetriebe
1964 bis 1967
Als Werkzeugmacherlehrling in der BBS Makarenko
Meine Lehrzeit begann im Herbst 1964. Ich wohnte über 2 ½ Jahre im Lehrlingswohnheim, Baujahr Anfang der fünfziger Jahre. Im unteren Geschoss war ein großer Speiseraum, der auch als Aufenthalts- und
Versammlungsraum genutzt wurde. Nebenan war die Küche. Hier wurde jeden Tag frisch gekocht und die Mahlzeiten – Frühstück,
Mittagessen, Abendbrot – von den Küchenfrauen ausgegeben. Wir wurden sehr gut versorgt. Die Küchenfrauen kochten auch für die wenigen Lehrlinge, die am Wochenende nicht heimfuhren. Kleine Extras waren immer malmöglich. Die Küchenfrauen waren spitze.
In der ersten und zweiten Etage waren die Mechaniker und Werkzeugmacher untergebracht. Im geräumigen Zimmer standen 4 Doppelstockbetten. Jeder hatte eine Schrankhälfte mit Aufsatz und einen kleinen Nachttisch. In der Mitte Stand ein großer Tisch mit Stühlen. Die hellen Holzmöbel waren neu, also keine alten Metallbetten und Spinde. Auf jeder Etage war ein Wasch-, Dusch- und Toilettenraum mit mehreren Plätzen. In der oberen Etage wohnten die weiblichen Uhrmacherlehrlinge.
In der Freizeit waren gegenseitige Besuche erlaubt, nach Bettruhe nicht. Vom Wohnheimpersonal, damals als Erzieher bezeichnet, wurden wir keineswegs gegängelt. Der jährlich aus unseren Reihen gewählte Sprecher trat diesbezüglich mehr in Erscheinung. Es wurde auf Ordnung und Sauberkeit geachtet. Rauchen war im Wohnheim nicht erlaubt, wohl aber vor der Eingangstüre. Beim Verlassen des weitläufigen Geländes musste man sich in ein Ausgangsbuch austragen und beim Heimkommen wieder eintragen. Das galt nicht der persönlichen Kontrolle, sondern aus Sicherheitsgründen sollte die Anzahl der anwesenden Personen feststellbar sein. Alkohol war im Haus verboten, Kneipenbesuche aber nicht. 22 Uhr mussten alle wieder im Haus sein. Im geräumigen Treppenhaus wurden oft Tanzpartys zu Tonbandmusik veranstaltet. Westradiosender durften nicht gehört werden, bei westlicher Tanzmusik nahmen es die Erzieher nicht so genau. Ein Fernsehraum, der aber kaumgenutzt wurde - nur DDR-Fernsehen in mäßiger Bildqualität schwarz/weiß - war auch vorhanden. Vom Lehrpersonal wurden verschiedene Arbeitsgemeinschaften angeboten. Sportliche Betätigung war möglich.
Die Lehrwerkstätten und Unterrichtsräume befanden sich in einem vor dem Krieg als kleine Fabrik genutzten Gebäude. Im Erdgeschoß befand sich die Lehrwerkstatt der Werkzeugmacher des 2. Lehrjahres, darüber die des 1. Lehrjahres. Oben waren die Räume der Uhrmacherlehrlinge. Die Unterrichtsräume waren links und rechts im Gebäude auf alle Etagen verteilt.
Auch in der Lehrwerkstatt wurde besonders auf Ordnung Sauberkeit und pünktliches Erscheinen zu Arbeitsbeginn und nach den Pausen geachtet. Wer da Schwierigkeiten hatte bekam vom Lehrmeister einen für alle hörbaren lautstarken Anschiss. Anders, wenn mal ein Werkzeug kaputt ging oder ein Werkstück misslang. Es wurde erklärt , wo der Fehler lag und wie man es besser machen kann. Jeder hatte einen Werkzeugkasten mit seinem persönlichen Werkzeug. Schieblehre und Mikrometer mussten privat gekauft werden. Der
Werkzeugkasten musste am Ende des Tages tipp top aufgeräumt sein. Jeder reinigte, wenn er die Arbeit an einer Maschine beendete, diese von Spänen und Bohremulsion oder Öl. Sonnabends wurde das besonders gründlich getan und kontrolliert. Erst wenn alles in Ordnung war, wurden wir ins Wochenende entlassen.
Zu Beginn meiner Lehrzeit wurde noch jeden Sonnabend bis Mittag gearbeitet, später aller 14 Tage. Am Ende meiner Lehrzeit war dann jeder Sonnabend arbeitsfrei.
Im ersten Lehrhalbjahr bekamen wir 80 Mark, im letzten 115 Mark abzüglich etwas über 40 Mark für Unterkunft und Verpflegung.
Nach meiner Lehrzeit arbeitete ich noch etwa ein viertel Jahr in der GUB und wohnte, Dank einer Ausnahmegenehmigung, im Lehrlingswohnheim. Danach zog ich wieder zu meinen Eltern und orientierte ich mich
beruflich neu. Ich trat eine Stelle im VEB Bürotechnik Berlin, später ROBOTRON, an.
Die äquatoriale Sonnenuhr der Betriebsberufschule "Makarenko"
des VEB Glashütter Uhrenbetriebe
Mit dieser, für die damaligen Verhältnisse recht aufwendig gestalteten Text- und Bilddokumentation der Betriebs- schule "Makarenko", die zum 20-jährigen Bestehen der Schule und zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR 1969 geschaffen wurde, war beabsichtigt einen Einblick in das Arbeiten, Lernen und Leben in der Ausbildungsstätte des VEB Uhrenkombinat Ruhla, Werk Glashütte, zu geben. Heute, nach über 40 Jahren, wieder aufgetaucht und gesichert, stellt diese Chronik ein zeitgeschichtliches Artefakt dar, dass einen seltenen Einblick in die damaligen Verhältnisse gewährt.
Fotoalbum der BBS Makaenko zum 35. Jahrestag der DDR
7. Oktober 1984
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.