"Fridolin Stübner wurde am 1. Februar 1857 als Sohn eines armen Tagelöhners geboren und kam nach dem Tode seines Vaters schon im Alter von 10 Jahren zu fremden Leuten, um durch seinen bescheidenen Lohn die Mutter und seine jüngeren Brüder zu unterstützen. Vom 12. bis zum 15. Jahre arbeitete Stübner bei dem verstorbenen Steinfasser A. Gollmann in Glashütte; später machte er eine vierjährige Lehrzeit bei dem Steinmacher G. Kretzschmar daselbst durch, arbeitete dann eine Zeitlang in der bekannten Reisszeugfabrik von Richter in Cemmnitz, später in der Werkzeugfabrik von Gustav Boley in Esslingen und nach Erfüllung seiner Militärpflicht (beim Königl. sächsischen Grenadierregiment Nr. 101) in der Würtenbergischen Metallwarenfabrik zu Geislingen.
Von da kehrte er in seine Heimat Glashütte zurück, um bei dem bekannten Gangmacher Fr. Weicholdt in Arbeit zu treten, wo er Taschenuhren grossen Kalibers baute, bis er im Jahre 1886 in die damalige Uhrengrosshandlung und spätere Uhrenfabrik von Dürrstein & Co. berufen wurde, wo er bis Ende 1889 verblieb. In dem von dieser Firma
ausgestellten Zeugnis heisst es: "Herr Stübner hat sich als ein ganz hervorragender geschickter Uhrmacher erwiesen, wie nur wenige existieren" usw." [1]
Diesem Absatz des im Allgemeinen Journal der Uhrmacherkunst 1912 veröffentlichten Nachrufes ist ergänzend hinzuzufügen, dass Fridolin Stübner zumindest 1885 in Glashütte eine
Steinschleiferei betrieben hatte.
"Am 1. Januar 1890 trat Fridolin Stübner bei der Firma A. Lange & Söhne ein, wo er bis zu seinem unerwarteten Ableben in Stellung blieb. Dort konnte er sein Talent erst so recht entfalten. Keine Uhr war ihm zu kompliziert, keine Arbeit zu schwierig. Die äusserst subtile Anfertigung eines Tourbillons machte ihm ebenso wenig Schwierigkeiten wie der Bau eines Taschen- oder Seechronometers, dem er sich mit besonderer Vorliebe und grossem Erfolg widmete. Jeden Fachmann mussten z. B. die wundervoll ausgeführten zarten Tourbillongestelle entzücken, die aus seiner Hand hervorgingen, und besonders hervorzuheben ist seine Kunst im Härten dieser zarten Stahlteile: nach erfolgter Härtung passte das verzierte Oberteil ohne jede Spannung ebenso genau auf das Untergestell wie vorher. Ebenso kunstvoll waren die von Stübner ausgeführten Steinarbeiten, und die Firma Lange erhielt für die von ihm angefertigten Seechronometer bei den amtlichen Prüfungen wiederholt die erste Prämie. Auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 erhielt Stübner die Silberne Mitarbeitermedaille, in St. Louis 1904 die Goldene Mitarbeitermedaille." [1]
"Die Deutsche Uhrmacherei verliert in dem Verstorbenen einen ihrer grössten Künstler und die Firma A. Lange & Söhne eine beinahe unersetzliche Kraft. Die Firma hat deshalb auch ihrem treuen
Mitarbeiter einen herzlichen Nachruf gewidmet, in dem bezeugt wird, dass der Heimgeggangene "durch seine Treue wie durch sein ausserordentliches Geschick und seine Gewissenhaftigkeit zum guten
Ruf der Firma wie auch der gesamten Uhrenindustrie von Glashütte wesentlich mit beigetragen und sich in der Geschichte der Firma durch seine vorbildlichen Arbeiten ein unvergängliches Denkmal
gesetzt habe. Der Name Fridolin Stübner werde von dem Hause Lange als leuchtendes Vorbild seltener Fachtüchtigkeit und hohen Talents stets in Ehren gehalten werden." [1]
In der Fachzeitschrift "Alte Uhren" wurde die These aufgestellt, dass die Entwicklung des Glashütter Chronometers durch Ludwig Strasser und Fridolin Stübner erfolgte. [3] Als Quelle der Information wurde die Fachzeitschrift "Uhren und Schmuck" Heft 2/1979 angegeben. Der genannte Sachverhalt findet sich so allerdings in der genannten Ausgabe von "Uhren und Schmuck" nicht. [4]
Verifizierbar ist, dass der jüngere Bruder von Fridolin Stübner, Paul Stübner, bereits seit 1880 als Werkmeister in der Firma Strasser & Rhode beschäftigt war und dort auch mit der Entwicklung und dem Bau von Chronometer-Rohwerken befasst war. Ludwig Strasser war schon während seiner Lehrzeit zu Beginn der 1870er Jahre in der Firma Moritz Grossmann mit der Rohwerkefertigung von Marinechronometern in Berührung gekommen, sodass man davon ausgehen kann, dass dieses Wissen in der Firma Strasser & Rhode und damit auch bei deren Werkmeister Stübner präsent war.
[1] Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst Nr. 20 vom 15. Oktober
1912 Titelseite & S. 174
[2] Deutsche Uhrmacher-Zeitung Nr. 17 aus 1885 S.129
[3] Alte Uhren Heft 2/1980
[4] Uhren und Schmuck Heft 2/ 1979
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.