Die Serienfertigung der B-Uhren beginnt bei A. Lange & Söhne im Oktober 1940 mit Werknummer 200.000. Die Fertigung dieses Rohwerkes Kal. 48 mit der Werknummer 200249 basiert auf einem Auftrag der Howaldtswerke AG Kriegsmarinewerft Kiel vom 25.02.1940. Werkausführung und Gehäuse dokumentieren die zum Beginn der Fertigung vorgesehene einheitliche Ausstattung der B-Uhren des Kal. 48. Bis 1945 mussten dann allerdings kriegswirtschaftlich bedingt verschiedene Materialsubstitutionen, vor allem beim Silbergehäuse, vorgenommen werden. Auch die vom Beginn der Fertigung an verwendete serienmäßige Hemmung mit dem speziellen Anker findet zu Kriegsende 1945 nicht mehr in allen Rohwerken Anwendung. Im Verlauf der Fertigungszeit bis 1945 wird die Remontage durch die militärischen Auftraggeber auch verschiedenen auswertigen Firmen übertragen.
Die Fertigung von Kaliber 48 B-Uhren und B-Chronometern wird in Glashütte schon kurze Zeit nach Kriegsende wieder aufgenommen. 1968 wurde die Fertigung der B-Uhren im VEB Glashütter Uhrenbetriebe eingestellt.
A. Lange & Söhne - Beobachtungsuhr Kaliber 48, mit Gangreserveanzeige
Für die hier vorgestellte, im Original erhaltene Marine-Beobachtungsuhr Kaliber 48 hatte die Glashütter Firma A. Lange & Söhne im Januar 1943 das Rohwerk einschließlich der Prüfabnahme im Fertigungsgrad 3 fertiggestellt. Zur Vollendung der 16-steinigen Uhr in einem noch komplett aus 900er Silber bestehenden Gehäuse mit 3 Scharnieren, wurde das Rohwerk an Alpina - Deutsche Uhrmacher Genossenschaft Berlin geliefert. Der Preis für das Rohwerk belief sich damals auf 147,00 Reichsmark. Die Vollendung kostete dann noch einmal 114,50 Reichsmark, so dass sich die Gesamtkosten auf 261,50 Reichsmark beliefen. Die Prüfabnahme in Klasse 1 bedeutete u.a. eine maximale Gangabweichung von 1 Sekunde in 24 Stunden.
Das Kaliber 48 wurde von der Firma A. Lange & Söhne im militärischen Auftrag von 1937 bis 1940 entwickelt. Als Basis diente das bereits in den 1920er Jahren entwickelte Kaliber Oliw 90, bei dem es wegen seiner Flachheit zu Regulierproblemen gekommen war und das nicht in die Serienproduktion überführt worden ist. Um den gestellten Anforderungen von max. 1 Sek. Gangabweichung in 24/h gerecht zu werden, wurde das Werk u.a. vergrößert, neu konzipiert und mit einer Gangreserveanzeige ausgestattet. Das Differentialgetriebe für die Gangreserveanzeige befindet sich zwischen oberer und unterer Platine, neben dem Federhaus.
Zum Einsatz kamen weiterhin:
Für die Befestigung der Endkurve der im Kaliber 48 verwendeten Breguetspirale an dem Unruhkloben kam die bereits 1920 für die Firma A. Lange & Söhne in Deutschland als DRGM Nr. 748971 eingetragene und in der Schweiz unter der Nr. 90340 patentierte Spiralklötzchenbefestigung zum Einsatz. Die Kerbe im Unrukloben und der einge-passte, dreieckige Zapfen ermöglichten ein Befestigung der Endkurve ohne eine die Beobachtung der Spirale störende Lasche.
Versilbertes Zifferblatt links und Leuchtzifferblatt mit vergrößerten Ziffern rechts. Vertiefte Hilfszifferblätter bei 9 für die Gangreserveanzeige ( Auf- und Abwerk) und bei 3 für die Sekundenanzeige.
Die verantwortlichen Dienststellen der Marine und der Luftwaffe forderten die Rohwerke, die in Fremdvergabe remontiert werden sollten, je nach Bedarf von Lange & Söhne in verschiedenen Fertigungsstufen von Einzelteilen bis zu kompletten Rohwerken ab.
Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden den nachfolgend genannten Firmen von den zuständigen militärischen Stellen zusätzliche Remontagearbeiten an B-Uhren in der Zeit von 1941 bis 1945 übertragen. Dies war aufgrund der beschränkten Möglichkeit zur Vollendung dieser Uhren in Glashütte notwendig geworden.
Die Fertigungsstätte der Münchner Firma Andreas Huber in Untergainau
Das linke Bild zeigt Agestellte der Münchner Firma Andreas Huber bei der Reglage von in Untergrainau bei Berchtesgaden remontierten Rohwerken vom Kaliber 48. Das rechte Bild zeigt die Fertigungsstätte der Firma Huber in Untergrainau im Mai 1943. Nach derzeitigem Kenntnis- stand wurden bereits 1942 an dieser neu errichteten Fertigungs-stätte, die bis zum Kriegsende 1945 nicht bombardierte wurde, Rohwerke des Kaliber 48 der Glashütter Firma A. Lange & Söhne remontiert. Das rechte Bild zeigt einen solchen Auftrag vom 11. März 1943.
Bei Fertigstellung der B-Uhren war eine Ganggenauigkeit der Klasse 1A der Deutschen Seewarte Hamburg mit entsprechendem Gangschein gefordert. Die Remontage erfolgte unter Aufteilung in 12 Arbeitspartien mit dem vorhandenen Fachpersonal und einer neuen Reguliermethode, bis 1943 in München und Berlin:
1. Einpassen des Zeigerwerkes sowie des Auf- und Abwerkes und Vollendung dieser Teile,
2. Prüfung, Einpassen und Vollendung des Federhauses und der Stellung mit deren Zusammensetzung,
3. Vollendung und Einbau der gelieferten Aufzugsteile,
4. Vollendung der Laufwerkteile, Nachwälzung der Räder, Politur der Zapfen, Einpassung und Zusammensetzung des Laufwerkes,
5. Einrichtung der Hemmung, Ausarbeitung des Ankers, Einpassung der Paletten, Einspannung und Politur der Zapfen,
6. Repassage und Veredlung und Durchsicht des gesamten Werkes, Zapfen- und Eingriffsabhilfen, Nachjustierung der Hemmung etc.,
7. Behandlung der Spirale, Anbringung der Kurven und Aufsetzung derselben,
8. Richten und Abwiegen der Unruh,
9. Vorreglage, 10. Temperaturreglage,
11. Feinstellung in sechs Lagen,
12. Beschaffung des Gehäuses, Zifferblattes und Zeiger.
Die bereits fertigen und normal gehenden Werke wurden durchschnittlich zwei Monate täglich kontrolliert. Es bedurfte etwa 60 Korrekturen in 8 verschiedenen Lagen und Temperaturen von -20° bis +30 ° um die geforderten Gangresultate zu erzielen. 60 % dieser Fertigung erreichten sogar die Einstufung in die Sonderklasse der Seewarte.
Als die alliierten Bombenangriffe auf Hamburg begannen, erhielt die Firma Huber der Befehl zur Verlagerung der Berliner und Münchner Fertigung. In Grainau bei Garmisch-Partenkirchen baute die Firma Huber aus ihren Mitteln eine 300m² große Fertigungsstätte für 30 Beschäftigte und einer Abteilung für Hilfskräfte und Lehrlingen, die noch 1943 voll funktionsfähig war. 1944 wurden monatlich durchschnittlich 100 dieser B-Chronometer fertiggestellt.
A. Lange & Söhne Glashütte Beobachtungsuhr Kaliber 48
Zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurde die Firma A. Lange & Söhne Glashütte mit der Entwicklung einer leistungsfähigen Beobachtungsuhr für die Deutsche Kriegsmarine und die Luftwaffe beauftragt. Aus dem Werk der Taschenuhrmarke "OLIW" (Original Lange internatinales Werk) entstand bis 1940 das Kaliber 48 als offene Taschenuhr im Silbergehäuse mit Auf- und Abwerk, einem unsigniertem, versilberten oder Leuchtzifferblatt sowie kleiner Sekunde bei 3. Die in Lagen und Temperaturen zu prüfende Uhr musste die Gangleistung der Klasse 1, die von der Deutschen Seewarte Hamburg aufgestellt waren, erreichen. Die maximale Gangabweichung durfte 1 Sekunde pro Tag nicht überschreiten. Waren die Silbergehäuse anfänglich noch mit 3 Scharnieren ausgestattet, so musste im Verlauf des Krieges auf diese aufwendige Fertigung zugunsten einfacherer Gehäuse mit nur noch einem Scharnier für den Staubdeckel verzichtet werden. Aus Kapazitätsgründen wurde etwa die Hälfte der gesamten Kriegsproduktion der Marine-B-Uhren Kal. 48 von der Münchner Firma Andreas Huber remontiert.
Marine- Beobachtungsuhr A. Lange & Söhne Kaliber 48
Marine Beobachtungsuhr Kaliber 48 A. Lange & Söhne
Das von A. Lange & Söhne in der Fertigungsstufe 3 hergestellte Rohwerk vom Kaliber 48 mit der Werknummer 204320 wurde am 17. Februar 1944 mit 29 weiteren für den Stückpreis von 147,- RM an die Deutsche Uhrmacher Genossenschaft Berlin zur Vollendung geliefert. Hier wurden diese Rohwerke in versilberte Gehäuse der Pforzheimer Doublé-Fabrik Gustav Rau eingeschalt, mit einem versilberten Zifferblatt sowie angelassenen Stahlbirnenzeigern komplettiert und entsprechend den geltenden Qualitätsanforderungen nach Klasse 1 reguliert. Wenn Gehäuse der Doublé-Fabrik Gustav Rau mit einen aufgesprengten versilberten Deckel zum Einsatz kamen, hatten diese innen die Gehäusenummer der Firma Rau. Bei der hier dokumentierten B-Uhr ist es die Nummer: 1087220. Die Zifferblätter der Kriegsproduktion waren grundsätzlich nicht mit einer Firmenbezeichnung signiert.
Bei den B-Uhren die neben den zwei Hilfszifferblättern mit der kleinen, dezentralen Sekunde bei 3 und der Gangreserveanzeige bei 9 über eine zusätzliche Zentralsekunde verfügen, erscheint eine Serienfertigung durch die Firma VEB Mechanik Lange & Söhne zwischen 1948 und 1951 beziehungsweise durch den VEB Mechanik Glashütter Uhrenbetriebe 1951-1953 aus nachfolgend genannten Gründen relativ unwahrscheinlich:
Die bisher verifizierbaren Artefakte unterscheiden sich in mehren Teilen der Ausstattung erheblich. Zwei begutachtete Werke hatten zwar nicht mehr den speziellen Anker mit verlängerter Eingangsklaue, aber noch die Bohrungen für die Begrenzung des Ankerweges durch zwei in die Platine eingelassene exzentrische Regulierstifte. Das lässt auf eine Fertigung der Platine vor 1945 schließen, da bereits 1945 serienmäßig gefertigte Werke nachgewiesen sind, bei denen die damals eingesetzte spezielle Form des Ankerganges mit der seitlichen Begrenzung des Ankerweges und den dazu notwendigen Bohrungen nicht mehr verwendet wurde.
Bei Zifferblättern, Zeigerwerk, Pedant, Gehäuseform, verwendeten Lager- und Funktionssteinen sowie in der Vollendung gibt es zum Teil nicht unerhebliche Unterschiede.
Werke deren Werknummern sich in den Verkaufsunterlagen der vorgenannten Firmen finden, sind an dieser Stelle hinsichtlich ihrer Ausstattung nicht beschrieben. Die in den Unterlagen dafür verzeichnete Katalognummer 300 ist ein Hinweis auf ein bestimmtes Kaliber und möglicherweise auch auf eine aus dem betreffenden Katalog hervorgehende Beschreibung oder einen bildlichen Beleg. Solange diese Fragen nicht geklärt sind, bleiben aber Aussagen zu einer Fertigung in den vorgenannten Betrieben reine Spekulation.
Das Rohwerk dieser Beobachtungsuhr vom ALS Kaliber 48 wurde während des zweiten Weltkrieges von der Glashütter Firma A. Lange & Söhne gefertigt. Zu welchem Zeitpunkt, in welchem Vollendungsgrad, wieviel dieser Rohwerke zu fertigen waren, wurde von der dafür verantwortlichen Dienststelle der Wehrmacht bestimmt und in Auftrag gegeben. Zu liefern waren diese Rohwerke in der Regel nach Gesundbrunnen, einem kleinen Ort etwa 10 km vor Glashütte, wo sich, vor Bombenangriffen sicher, das Großlager der Deutschen Seewarte befand. Von dort aus wurden die Rohwerke, entsprechend der Leistungsfähigkeit, zu den verschiedenen Remontagebetrieben im ganzen Reichsgebiet verteilt. Die hier gezeigt B-Uhr mit Auf- & Ab-Werk wurde z. B. von der bekannten Münchner Firma Huber mit Leuchtzifferblatt remontiert und für den militärischen Einsatz reguliert.
Bisherige Veröffentlichungen ergeben im Vergleich ihrer Aussagen leider kein einheitliches und verifizierbares Bild der Fertigung und Ausstattung der B-Uhren. Zum Teil werfen die inzwischen neu dokumentierten Artefakte auch neue Fragestellungen zur Fertigung und Ausstattung dieser Uhren auf.
Aus diesen Gründen wird hier vorerst auf Verweise zu diesen Publikationen verzichtet. Wenn über die bisherigen Veröffentlichungen hinaus ein verifizierbarer Überblick über die mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Fertigung der Glashütter B-Uhren Kal. 48 und 48.1 gegeben werden soll, machen sich schlussendlich weitere umfangreiche Recherchen erforderlich, deren Ergebnisse möglichst zeitnah veröffentlicht werden sollen.
Weitere Modelle
Beobachtungsuhr A. Lange & Söhne mit Auf- und Abwerk
Mit Werknummer 200.000 begann bei der Firma A. Lange & Söhne im Oktober 1940 die
Serienfertigung der neu entwickelten Marine-Beobachtungsuhren vom Kaliber 48. Es handelt sich bei der hier dokumentierten Uhr um die 5199. Das Kaliber 48 wurde von der Firma A. Lange & Söhne im militärischen Auftrag von 1937 bis 1940 entwickelt. Als Basis diente das bereits in
den 1920er Jahren entwickelte Kaliber Oliw 90, bei dem es wegen seiner
Flachheit zu Regulierproblemen gekommen war und das nicht in die Serienproduktion überführt worden ist. Um den gestellten Anforderungen von max. 1 Sek. Gangabweichung in 24h gerecht zu werden,
wurde das Werk u.a. vergrößert, neu konzipiert und mit einer Gangreserveanzeige ausgestattet. Das Differentialgetriebe für die Gangreserveanzeige befindet sich zwischen oberer und unterer Platine, neben dem Federhaus. Für die Kältepunktbestimmung
(-35°C) vom Kaliber 48 war während des 2. Weltkrieges die Luftwaffen-Erprobungsstelle in Rechlin zuständig. Siehe dazu auch hier
Marine Beobachtungsuhr A. Lange & Söhne Kaliber 48
Die hier vorgestellte Marine Beobachtungsuhr mit der Werknummer 205936 wurde von der Münchner Firma Andreas Huber 1944 in der extra dafür 1943 errichteten Außenstelle in Untergreinau mit dem von der Glashütter Firma A. Lange & Söhne in der Fertigungsstufe 3 gefertigten Rohwerk Kaliber 48 vollendet. Auslieferungsvermerk der Firma A. Lange & Söhne: "B-Uhr, Silber 0,900 offen, Silberinnendeckel, Form Lucia, Nickelstahl-Unruhe, Werk-Kal.48, mit Auf- und Abwerk, versilb. Zifferblätter, mit Plexiglas, fertigstellt vom Fertigungsgrad III, Stückpreis 114,50."
A. Lange & Söhne Glashütte - Marine Beobachtungsuhr Kal. 48
Die hier dokumentierte Marine-Beobachtungsuhr mit Auf- und Abwerk ist 1944 mit dem Rohwerk Kaliber 48 Nr. 204.320 der Glashütter Firma A. Lange & Söhne von Dugena (Alpina) Berlin reguliert, eingeschalt und fein vollendet worden. Das dafür verwendete versilberte Gehäuse mit aufgespengtem Deckel wurde von der Pforzheimer Firma G. Rau GmbH & Co. KG geliefert. Bei dieser späten Werkausführung wurde von A. Lange & Söhne noch der nach 1945 nicht mehr verwendete Stahlanker mit der ungewöhnlichen, seitlichen Ankerwegsbegrenzung verwendet.
1970
Am 27.November 1970 wurde vom VEB Uhrenwerk Glashütte mit der Werk- und Gehäusenummer 208440 die letzte silberne Beobachtungsuhr vom Kaliber 48 an den VEB Schiffsversorgung Rostock für 430,00 Mark verkauft. Damit endete in Glashütte nach 30 Jahren die Fertigung dieser B-Uhr.
Quelle: GUB Verkaufsbuch S.326
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen entsprechend ergänzt.
Beobachtungsuhr Kaliber 48, Autor Waldemar Becker Fachzeitschrift Klassik
Uhren Heft 6/1997 S.54-56