Aus Altersgründen und sicher auch aus der Erkenntnis heraus, dass die neue Zeit und die damit verbundenen neuen Herausforderungen sehr großer Anstrengungen bedürfen, legte Kommerzienrat Emil Lange seinen Betrieb, die von seinem Vater Adolf Lange 1845 gegründete Firma A. Lange & Söhne, am 1. Mai 1919 in die Hände seiner drei Söhne Otto, Rudolf und Gerhard.
Bereits 3 ½ Monate später, am 16. August 1919, erschien in der örtlichen Presse eine Stellenausschreibung mit einem für die Firma A. Lange & Söhne revolutionären Inhalt.
Darin heißt es: „Zeichner oder Techniker gesucht, der nach Angabe die konstruktive Überarbeitung unserer Taschenuhr, die Anfertigung von Werkstattzeichnungen, das Eintragen von Toleranzen und Arbeitsoperationen erledigt. Eintritt sofort. Beschäftigungsdauer einige Monate."
Das Anfertigen von technischen Zeichnungen, das Festlegen von Toleranzen und die Standardisierung von Arbeitsschritten, was ja die Voraussetzungen für eine zumindest teilmechanisierte Fertigung waren, wurde in der Firma A. Lange & Söhne bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewünscht.
Zu Beginn der 1920er Jahre war die Marktlage für die hochpreisigen Taschenuhren der Firma A. Lange & Söhne äußerst schwierig. Der 1. Weltkrieg hatte seine Spuren hinterlassen. Die Preise der Lange Uhr lagen im Schnitt 80% über denen einer vergleichbaren Schweizer Taschenuhr und der wachsende Trend zur Armbanduhr, die die Firma A. Lange & Söhne nicht im Angebot hatte, tat sein übriges. Die Zeit und die Entwicklung des technischen Fortschritts forderten aber über viele Jahre ihren Tribut in Form von Entlassungen, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit.
Den Gesetzen des Marktes folgend, beschlossen die neuen Inhaber der Firma, dass bereits während des 1. Weltkrieges entwickelte neue, für eine industrielle Fertigung vorgesehene, flachere Schabonenuhrwerk, der späteren Marke „OLIW“, zur Produktionsreife zu bringen. Dabei handelte sich um eine recht umfangreiche und kostenintensive Arbeit, die immerhin rund 100 Einzelteile und etwa 1000 Arbeitsgänge technologisch aufzuarbeiten und dabei auch noch spezielle Werkzeuge und Spezialmaschinen mit zu entwickeln. Es bedurfte erheblicher Investitionsmittel und mehr als nur einer Fachkraft, die technologischen Voraussetzungen für die Serienproduktion des neuen Werkes mit einem Durchmesser von 43 mm voranzutreiben. Die Arbeiten waren erst Anfang 1925 mit der Gründung der „Uhrenfabrik OLIW offene Handelsgesellschaft in Glashütte" am 01. März 1925 endgültig abgeschlossen.
Handelsgerichtliche Eintragung:
Firma Uhrenfabrik Oliw in Glashütte i. Sa. Fabrikbesitzer Adolf Otto Lange, Fabrikbesitzer Wilhelm Rudolf Lange, Fabrikbesitzer Hans Gerhard Lange, alle in Glashütte, sind Gesellschafter. Angegebener Geschäftszweig: Herstellung von Uhren und Uhrgehäusen.
Die Uhrmacher- Woche • Nr. 26. 1925 S. 472
Bei den Uhren der Marke OLIW war erstmals eine teilmechanisierte Fertigung vorgesehen. Auf die bisher für die Uhren der Firma Lange so typischen Merkmale, wie die 3/4 Platine und der Glashütter Ankergang musste aus Kosten-gründen verzichtet werden. Es wird dabei auf ein herkömmliches Brückenwerk und eine gebräuchliche, sichtbare Palettenankerhemmung zurückgegriffen.
Dazu äußert sich der Konstrukteur Helmut Klemmer der seit 1918 bei der DPUG beschäftigt und ab 1937 Betriebsführer der Urofa war, 1980 in seinen Memoiren wie folgt:
"Bei Lange u. Söhne, dem einzigen noch existenzfähigen Uhrenbetrieb, hatte sich nun auch die Erkenntnis durchgesetzt, daß mit den herkömmlichen Ausführungen kein nennenswerter Absatz mehr zu erwarten war. Für eine aus der Schweiz eingeführte offene Präzisionstaschenuhr in einem ultraflachen Goldgehäuse lag der Preis zwischen 132 und 159 Mark. Für eine gleichwertige Glashütter Uhr, allerdings in einer nicht mehr zeitgemäßen Ausstattung, mußten aber 285 Mark gezahlt werden. Um ihre Existenz weiterhin zu sichern faßten die Inhaber der Fa. Lange u. Söhne den Beschluß, neben der Glashütter Präzisionstaschenuhr die Produktion einer guten preisgünstigeren Taschenuhr aufzunehmen, eine Maßnahme, die schon vor 25 Jahren notwendig gewesen wäre. Am 1. März 1925 wurde die „Uhrenfabrik OLIW offene Handelsgesellschaft in Glashütte" gegründet.
Die Bezeichnung „OLIW" entstand aus der Kürzung der Worte „Original Lange Industrie Watch". Durch „Industrie" sollte darauf hingewiesen werden, daß diese Uhren industriell und nicht mehr in der althergebrachten handwerklichen Fertigung produziert wurden."
„Die Werkhöhe war etwas niedriger als bei dem bisher von der Firma Lange gefertigten 43er Kaliber. Federhaus bis Sekundenrad waren unter einer Platte gelagert. Das Ankerrad hatte einen besonderen Kloben, der sich in seiner Form der Oberplatte anschloß. Es war gedacht, dieses erste „OLIW-Werk" in kleinen Serien, nicht in Massen zu produzieren.
Bei der Umkonstruktion wurde von der für Glashütter Uhren typischen Dreiviertelplatine abgegangen. Das umgearbeitete Uhrwerk bekam eine Federhaus- und eine Laufwerkbrücke. Die äußere Form beider Brücken war so gestaltet, daß das Aussehen der Dreiviertelplatine gewahrt blieb (Bild 33).
Dadurch wurden nicht nur in der Produktion Vorteile erreicht, sondern auch für Montage und Reparaturen Erleichterungen geschaffen. Es bestand nun die Möglichkeit, das Federhaus oder das Laufwerk herauszunehmen, ohne das ganze Werk zu zerlegen. Am Unruhkloben war das Ohr, das zur Befestigung des Spiralklötzchens diente, weggefallen. Dadurch wurde die Beobachtung der Spiralfeder verbessert. Das Spiralklötzchen konnte in eine Kerbe am Umfang des Unruhkloben eingesetzt und mit einer seitlich angeschraubten Stahlfeder befestigt werden. Mit dieser Neuschöpfung war ein Uhrwerk entstanden, das sich billiger herstellen und montieren ließ. Es war aber nicht als Massenprodukt gedacht. Neben der Verbilligung mußte auch die Qualität gewahrt werden. Die Ganggenauigkeit lag bei etwa + 6 Sekunden in 24 Stunden. Die Werke waren mit 15 bzw. 16 Steinen ausgestattet.
Die Herstellung der Einzelteile war soweit verbessert worden, daß diese weitgehendst austauschbar waren. Auch die Ausstattung paßte man den Kundenwünschen an.
Für die Gehäuse war Double oder Silber vorgesehen, sie konnten aber auch aus Edelstahl oder 14 kt Gold geliefert werden. Letztere hatten eine Masse von 30 bis 50 Gramm.
1931
Kaliber 75 hatte einen Werkdurchmesser von 43 mm.
Die Produktion dieses Kalibers begann Ende der 1920er Jahre und endete 1950, insgesamt wurden etwa
6 000 Stück hergestellt.
"Bei der Marke OLIW handelt es sich um die neueste Glashütter Lange-Uhr. Sie ist mit einem 15-steinigen Uhrwerk ausgestattet, das nach den modernsten Arbeitsmethoden hergestellt wird und ein in allen Teilen auswechselbares Serienerzeugnis darstellt. Ihr gleichmäßiger und exakter Gang wird allgemein anerkannt. Das äußerliche Kennzeichen dieser Marke ist die Zifferblatt-Aufschrift: „Deutsche Uhrenfabrikation, Glashütte i. Sa., Lange-Uhr."
Textauszug aus einem Verkaufskatalog der Firma aus den 1930er Jahren
Kaliber 80 siehe >> hier <<
Kaliber 90 hatte den Werkdurchmesser 39 mm. Dieses Werk war durch seine Flachheit für Präzisionsreglage nicht geeignet. Die Serienproduktion wurde deshalb nicht aufgenommen Aus den genannten Stückzahlen ist zu entnehmen, daß die OLIW-Uhren trotz guter Qualität und günstigem Preis keinen großen Absatz fanden. Diese Entwicklung hatte also den erhofften Erfolg nicht gebracht; von dieser Seite war eine Belebung der Glashütter Uhrenindustrie nicht zu erwarten. Da auch die Arbeitszeit weiterhin stark verkürzt blieb, ging ein Teil der besten Arbeitskräfte zu den aufblühenden Betrieben „Ufag" und „Urofa" über. Die restliche Belegschaft von etwa 40 Personen reichte aus, um den Bedarf an Lange-Uhren zu decken.“
Obwohl es bei dem Kaliber 90 zu keiner großen Serienproduktion gekommen ist, so wurde doch eine geringe Anzahl von Werken vollendet und Uhren dieses Kalibers auch nach Rumänien verkauft.
Mit der Seienproduktion der OLIW wurde erst im Jahr 1928 begonnen.
Die Auslieferung der ersten Taschenuhren der Marke "OLIW" erfolgte am 10.November 1928
Gegen Ende der 1920er Jahre nimmt die OLIW für ein Jahrzehnt einen breiten Raum im Sortiment der Firma A. Lange & Söhne ein. Nachdem es Mitte der 1930er Jahre hauptsächlich rüstungsbedingt zu einem verstärkten Bedarf an Marinechronometern kam, wurde die Werkskonstruktion des Kaliber 90 1939 zu Beginn des 2. Weltkrieges noch einmal aufgegriffen, indem man daraus die Beobachtungsuhren vom Kaliber 48 mit Auf- & Abwerk für die Kriegsmarine und 48.1 mit Zentralsekunde für die Reichsluftwaffe entwickelte. Zum Ende des Krieges hin hat man das Kaliber 48 in umgebauter Form als eine Art „Notchronometer“ für die küstennahe Schifffahrt gefertigt. Wenige Torpedobotchronometer runden dann das Produktionsprogramm der Firma A. Lange bis zum Kriegsende 1945 ab.
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