Uhrmacher Prüfungsarbeit Herrenarmbanduhr
Kaliber Precis 61
Bereits ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges begann in der Sowjetischen Besatzungszone in Glashütte wieder die Ausbildung von Uhrmachern. Einer der ersten Lehrlinge war Werner Tübel aus Meißen, der seine Lehrzeit im März 1949 mit guten Ergebnissen erfolgreich beendete. Die theoretische Ausbildung erfolgte an der gewerblichen Berufsschule in Glashütte und in einem Lehrgang für gewerbliche Lehrlinge an der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte. Als Prüfungsstück wurde ein Armbanduhr-Rohwerk des noch 1945 neu entwickelten Kaliber 61 der Produktionsgemeinschaft Precis Glashütte verwendet. Dank eines Sammlerfreundes kann hier jetzt die komplette, im Original erhaltene Arbeit mit Papieren gezeigt werden. Die werkseitig sichtbaren Veränderungen sind der 16. Mittelstein und die Vergoldung von Werkteilen. Für das Gehäuse, das Zifferblatt und die Zeiger wurden Teile der Serienfertigung verwendet.
Meisterstück gefertigt mit dem Kaliber 61 der
Glashütter Produktionsgemeinschaft Precis
Um nach 1945 in der SBZ und ab 1945 in der DDR Uhrmachermeister werden zu können, war neben theoretischen Arbeiten auch ein praktischer Teil erforderlich. Die dafür erforderlichen Arbeiten wurden von den Obermeistern der jeweiligen Uhrmacherinnungen eigenständig festgelegt. Vorwiegend dienten dazu Arbeiten an Uhren, mit denen der zukünftige Meister konfrontiert werden würde. So war es u. a. üblich aus handelsüblichen Uhren Teile zu entfernen, die der Prüfling dann aus Rohmaterial neu anfertigen musste. Teilweise waren auch qualitative Verbesserungen an Uhren aus der Serienfertigung gefordert. Bei der hier gezeigten Herrenarmbanduhr vom Kaliber 61 wurden zum Beispiel neben der Neuanfertigung des Unruh- und Gangradklobens auch noch die Lagersteine der Platine fest in Chatons gefasst. Der Mittelstein wurde in einem verschraubten Chaton gefasst. Die korrekte Ausführung der jeweils geforderten handwerklichen Arbeiten waren somit Bestandteil der Meisterprüfung.
Durch die bereits 1950 erfolgte Umstrukturierung der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte zur "Fachschule für Feinmechanik und Uhrentechnik Glashütte" und ab 1957 zur "Ingenieurschule für Feinwerktechnik Glashütte (Sachs.)" waren die Uhrmachermeister in der DDR sozusagen die Letzten ihres Standes, die noch Gesellen ausbildeten. Das war eine hohe Verantwortung für den Erhalt des altehrwürdigen Berufsstandes. Trotzt der sich abzeichnenden Entwicklung zur Quarzuhr, wird es immer Liebhaber mechanischer Uhren geben und diese brauchen, zumindest ab und zu, einen Uhrmacher der noch was von ihnen versteht. Die hier gezeigten Arbeiten stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem viel breiteren Spektrum der bei den Handwerkskammern der 14 Bezirke der ehemaligen DDR vorgelegten Prüfungsarbeiten dar. Sie alle sind Beleg für die sehr umfänglichen Kenntnisse und Fähigkeiten der Uhrmacher, die heute wieder sehr gefragt sind.
Nach 1945 wurden für die Erlangung der Meisterwürde sehr oft mechanische Armbanduhrkaliber der Kalibergruppe 60, 70 oder auch die bekannten Spezimaticwerke aus der Produktionspalette der GUB zur Anfertigung von Meisterstücken verwendet. Die Aufgabenstellung war dabei recht unterschiedlich. In der Regel sollten verschiedene Teile selbst manuell hergestellt werden und dabei sollten auch besondere Techniken zur Anwendung kommen. Zum Beispiel wurden, wie früher bei Präzisionstaschenuhren, Chatons für die Lagersteine angefertigt, Chatons verschraubt, Feinregulierungen in Armbanduhrkaliber eingebaut, Räder, Triebe und Wellen angefertigt u.s.w..
Bei diesem Meisterstück vom Kaliber 60 waren 1957 folgende Aufgabenstellungen zu lösen:
Bei diesem Meisterstück vom Kaliber GUB 70.1 waren 1977 folgende Aufgabenstellungen zu lösen:
Diesem Handaufzugskaliber 70.1 mit der Nummer 49223, welches das Basiskaliber der Kalibergruppe 70 darstellt, wurde zusätzlich noch ein Automatikaufsatz mit der entsprechenden Kaliberprägung 67.1, unter Verzicht auf eine bei dem Kaliber Werkseitig vorgesehene Datumfunktion, hinzugefügt.
Eingeschalt wurde das Werk dieser Automatikuhr in ein mit 20 Mikron vergoldetes 36 mm Gehäuse der Uhrenwerke Weimar mit einem speziell von Meister Siebert gefertigten Glasdeckel.
In der Bundesrepublik Deutschland ist das Berufsbild des Uhrmachers 2005 um den Beruf des Uhrenrestaurators erweitert worden. Nach Lehre und praktischer Erfahrung oder Meisterprüfung kann man durch eine nochmalige Weiterbildung den Abschluss eines Uhrenrestaurators erwerben und ausüben. Im Zuge der Harmonisierung des Europäischen Rechts wurde 2006 auf den Großen Befähigungsnachweis (Meister) als Grundlage für die Ausübung des Uhrmacherhandwerks verzichtet.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.