Das erste Ankerwerk der Uhren-Rohwerkefabrik AG Glashütte
Im Sommer 1928 wurde bei der UROFA von dem Techniker Herrn Kulms ein rundes 8 ¾ ‘‘‘ Ankerwerk nach Glashütter Maßstäben mit den mathematisch richtigen Größenordnungen entwickelt. Die Serienfertigung begann im Herbst 1929. Da die Urofa zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Gangfabrikation hatte, mussten diese Teile aus der Schweiz bezogen werden. Das Problem dabei war, dass die Schweizer Hersteller die Preise derart gestaffelt hatten, dass der Preis sich extrem erhöhte, je kleiner die Abmessungen der Gangteile waren. Da das mathematisch richtig konstruierte Werk eine sehr kleine Gangpartie hatte und das Fassen der Steine sehr arbeitsaufwendig, noch per Hand gemacht werden musste war das Werk gegenüber vergleichbaren Schweizer Produkten nicht konkurrenzfähig.
Unter diesem Preisdruck machte es sich erforderlich, das Kaliber 52 so zu modifizieren, dass die Verwendung eines größeren Ganges möglich wurde. Die 1930 abgeschlossene Modifizierung des Werkes erwies sich allerdings als völliger Fehlschlag.
1. „Das Werk schwang nur sehr schwach. Es mussten starke Zugfederngenommen werden, um das Werküberhaupt zum richtigen Schwingen zu bringen. Dies setzte eine so starke Feder voraus, dass hierdurch die Laufdauer der Uhr auf etwa 28 Stunden herabsank. Dies war nicht zulässig.
2. Seinen Grundhatte das schlechte Schwingen in den unrichtigen Proportionen des Ganges. Das Gangrad war zu gross. Es hätte statt 5,45 mm nur 5,25 mm im Durchmesser haben müssen.“
Da bereits eine größere Menge an Halbfabrikaten aus der Schweiz angeschafft waren und weitere geordert waren, wurde nach einer Lösung gesucht, die großen Gangteile zumindest zum Teil noch zu verwenden. Der Betriebsleiter der Ufag, Herr Löwe, konstruierte einen Anker mit einer langen Gabel, einem kleineren Gabelschnitt und eine kleinere Hebesteinentfernung hatte. Hiermit war ein gutes Schwingen bei einer normalen Zugfederstärke gewährleistet. Die Serienproduktion konnte jetzt fortgesetzt werden.
Dieses umkonstruierte runde 8 ¾ ‘‘‘ Werk wurde in späteren nach 1945 erschienen Publikationen von verschiedenen Autoren mit der Bezeichnung „Übergangs- oder Behelfslösung“ versehen. Der ehemalige Betriebsführer der Urofa Helmut Klemmer benannte es in seinen Ausführungen „Die Entwicklung der Glashütter Uhrenindustrie“ in der Fachzeitschrift Uhren & Schmuck, Heft 2/1980 auf Seite 58, auch als Kaliber 53. Es dürfte sich dabei um eine Betriebsinterne Bezeichnung gehandelt haben, da diese Kaliberbezeichnung in den Werk-Erkennungs-Katalogen der Firmen Flume und Jacob nicht vorkommt.
Mit dieser „Behelfslösung“ musste man bis zur Einführung einer eigenen Gangfabrikation von 1931 bis 1933 leben.
Um in der Frage der Importe aus der Schweiz unabhängiger zu werden wurde bereits 1931 im Aufsichtsrat beschlossen in neue Maschinen zum Aufbau einer eigenen Gangfabrikation bei der Urofa zu investieren.
Es dauerte dann noch bis zum Herbst 1932 bis alle Anlaufschwierigkeiten behoben werden konnten. Ab dann war gesichert, dass man das Kaliber 52 wieder mit dem richtig konstruierten, kleineren Ankergang fertigen konnte.
Der langjährige Betriebsassistent und spätere Betriebsführer der UROFA, Helmut Klemmer, erläutert 1980 in der Fachzeitschrift Uhren und Schmuck ausführlich die Entstehungsgeschichte und den Aufbau des Kalibers UROFA 52.
Hinsichtlich der Bestimmung der 8 ¾ Kaliber 52, 521 & 522 mit Ankerhemmung der Uhren Rohwerkefabrik AG Glashütte treten, wenn man sie versucht nach der Gestaltung des Werkes von der Werkseite her zu bestimmen, Unklarheiten bzw. Verwechslungen auf. Begründen lässt sich das damit, dass in den Anfangsjahren der ersten deutschen Rohwerkefabrik noch sehr viel Erfahrungen gesammelt und experimentiert werden musste um wenigstens annähernd ein Preis- Leistungsverhältnis sowie ein Qualitätsniveau zu erreichen, das einen entsprechenden Absatz der Produktion gewährleistete. Der technologische Vorsprung der Schweizer Konkurrenz war, bedingt durch den Entwicklungsstillstand während des ersten Weltkrieges auch der Glashütter Uhrenindustrie, erheblich. Der Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 verschärfte die bestehenden Probleme weiter. Seit ihrer Gründung im Dezember 1926 schrieb die UROFA Verluste und es war 1929 auf absehbare Zeit auch keine Änderung in Sicht. Die Bilanzen der Firma aus diesen Jahren belegen dies eindeutig. Zudem war man zu dieser Zeit auch noch mit wesentlichen Werkteilen, z.B. bei der Hemmung, von Lieferungen aus der Schweiz abhängig, die es verstand ihre Monopolstellung auf dem Gebiet der industriellen und automatisierten Rohwerkeherstellung entsprechend auszunutzen.
Das hatte zur Folge, dass es entweder aus Kostengründen, Import bedingt oder auf Kundenwunsch zu ganz unterschiedlichen Werkgestaltungen und -ausstattungen bei ein und demselben Kaliber kam, die heute eine eindeutige Bestimmung des Kalibers nur von der zifferblattseitigen Werksignatur her zulassen. Auch in den entsprechenden Werk-Erkennungskatalogen der führenden Furniturenhändler Jacob (Leipzig) und Flume (Berlin) wurde nach diesem Prinzip verfahren, wobei man bei den 8 ¾ Werken in den Werk-Erkennungskatalogen nur die Kaliber 52 und 522 führte und auf die Darstellung von Modifizierungen verzichtete. Die Zuordnung des jeweiligen Kalibers erfolgte neben der Hemmung (Anker) und dem Werkdurchmesser nach Linien (8 ¾) nach der Anzahl der Bohrungen in der Winkelhebelfeder.
Seltene Werkausführung des UROFA Kal. 52 mit
zifferblattseitiger Kaliberprägung
Die Prägung "UROFA 52", wie sie bei diesem Werk auf der Zifferblattseite der Werkplatine zu sehen ist, wurde sehr wahrscheinlich nur bei einem sehr geringen Teil der Werke dieses Kalibers verwendet. Die überwiegende Anzahl der heute noch existenten Uhren mit Werken dieses Kalibers weisen diese Kaliberprägung nicht auf.
Ob es sich bei denen, die eine Kaliberprägung aufweisen, um Werke vom Produktionsbeginn oder vom Ende der Serienfertigung handelt, ist Gegenstand weiterer Recherchen. Nach derzeitigem Kenntnisstand deutet alles daraufhin, dass zu Beginn der Fertigung noch keine Kaliberprägung auf der Zifferblattseite der Grundplatine erfolgte.
Die Prägung "Primator" auf der Räderwerkbrücke des Werkes deutet darauf hin, dass die UROFA dieses Werk an die Dresdener Firma "Willi Albert, Großhandels-Gesellschaft Primator m. b. H." zur Vollendung geliefert hatte.
Mit diesem UROFA Kaliber 52 begann im Herbst 1929, drei Jahre nach Firmengründung, die UROFA und die UFAG die serienmäßige Armbanduhrfertigung von Ankerwerken. Das Kaliber 52 wurde vom Rohwerkehersteller UROFA in verschiedenen Qualitätsstufen gefertigt. Bei der hier gezeigten, unrestaurierten Uhr handelt es sich um die höchste Qualitätsstufe „Tutima“, die in dieser Form ab 1930 ausschließlich an die UFAG geliefert wurde. Die Lochsteine (Rubine) hatten alle olivierte Bohrungen. Bei dem hier 15-steinigem Werk waren die oberen Steine der Räderwerkbrücke, noch per Hand in vergoldeten Messingfuttern gefasst und nicht maschinell eingepresst. Das geschah dann erst mit neuem Werkzeug und neuer Technologie beim Kaliber 522 etwa ab 1933. Anker, Ankerrad und Doppelscheibe kamen noch nicht aus eigener Fertigung und wurden aus der Schweiz zugekauft. Auch Gehäuse, Zifferblätter und Zeiger kamen nicht aus der eigenen Produktion. Mit der Etablierung der Uhren der Qualitätsmarke „Tutima“ der Uhrenfabrik Akt. Ges. Glashütte war, nach anfänglichen erheblichen Schwierigkeiten, zu Beginn der 1930er Jahre ein entscheidender Schritt zur jahrzehntelangen, serienmäßigen Fertigung hochqualitativer Armbanduhren in Glashütte gelungen.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen, entsprechend ergänzt.
Uhrwerke und Armbanduhren der Urofa und Ufag Glashütte/Sa.; Autor: Werner Heinrich; Fachzeitschrift: Klassik Uhren 6/2008 S. 38-44