Ausgang der 1950er Jahre wird wie in allen VEB Betrieben der DDR, so auch in der GUB die von staatlicher Seite aus propagierte Bewegung der Bildung „Sozialistischer Brigaden“ forciert.
Ziel war es durch verschiedene Maßnahmen, mit Eigenverpflichtungen der Brigademitglieder, die Arbeitsproduktivität als auch die Qualität entscheidend zu verbessern um die staatlichen Planvorgaben zu erfüllen.
Mit Veröffentlichung der Inhalte solcher Vorhaben in den verschiedensten betrieblichen, regionalen und überregionalen Medien sollte dieser Prozess unterstützt und weiter vorangetrieben werden.
In der Fachzeitschrift "Feinmechanik Optik" wird im Juli 1960, wenige Tage vor dem Bau der Berliner Mauer, ein ausführlicher Beitrag unter der Überschrift „Im VEB Glashütter Uhrenbetriebe wird die sozialistische Gemeinschaftsarbeit nicht vernachlässigt“ über die Initiativen der Bildung „Sozialistischer Brigaden“ in den Glashütter Uhrenbetrieben veröffentlicht.
Darin heißt es u.a.: „Das Neue in unseren volkseigenen Betrieben ist die Bewegung der Brigaden der sozialistischen Arbeit und der sozialistischen Arbeitsgemeinschaften. Es entwickeln und bilden sich täglich neue Brigaden der sozialistischen Arbeit, es entwickeln sich neue Formen, Initiativen und Methoden, die der Erfüllung der ökonomischen Hauptaufgabe dienen. Täglich tauchen neue Fragen auf, die die sozialistische Umwandlung betreffen und von unseren Werktätigen auf Wirksamkeit und Gültigkeit kritisch überprüft werden. Die Redaktion der Monatsschrift hatte Gelegenheit, sich bei ihrem Besuch im VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) vom Stand und von der Art und Weise der Brigadenarbeit in diesem Betrieb zu überzeugen.
Auch im VEB GUB arbeiten bereits Brigaden, die um den Titel „Brigade der sozialistischen Arbeit" kämpfen, und sozialistische Arbeitsgemeinschaften.
Zur Festigung der Brigadearbeit und zur Qualifizierung der Brigadiere wurde beschlossen, monatlich einen „Tag der sozialistischen Brigaden" durchzuführen. Insbesondere werden Fragen des sozialistischen Arbeitens, Lernens und Lebens dargelegt und den an dieser Schulung teilnehmenden Brigadeleitern zur Diskussion gestellt, um gemeinsame Schlußfolgerungen zu ziehen. Fragen, die unmittelbar die Brigaden betreffen, Erfahrungen und Fragen des sozialistischen Wettbewerbes stehen gleichfalls auf der Tagesordnung. Unmöglich ist es, eine genaue Zahl der Brigaden und ihrer Mitglieder zu nennen: Die Zahlen von heute sind morgen schon durch Neubildungen überholt. So schlossen sich z. B. aus Anlaß des 1. Mai die Kollegen des Meisterbereiches Kadner im Gerätesektor zur Brigade zusammen und wollen nun mit um den Titel) „Brigade der sozialistischen Arbeit" kämpfen.
Jetzt wird es vor allem auf die Anleitung und Unterstützung durch Werkleitung, Partei und Gewerkschaft ankommen, damit aus den neu gebildeten Brigaden tatsächlich Brigaden der sozialistischen Arbeit hervorgehen.“
Die Betriebs-, Partei-, und Gewerkschaftsleitungen waren gehalten, großen Wert auch darauf zu legen, dass es zum integralen Bestandteil der Verpflichtungen der neuen Brigaden gehörte, dass auch außerhalb des Betriebsgeschehens gemeinsame Aktivitäten entfaltet wurden. Welche Bereiche damit gemeint waren, wird in dem Beitrag der Fachzeitschrift als nachahmenswerte Beispiele ebenfalls besonders herausgestellt.
„Wie diese Brigaden arbeiten, wie sie leben und wie sie einander helfen, das sollen die folgenden Zeilen in Ausschnitten skizzieren.
In der Abteilung Werkzeugbau kämpfen vier Brigaden um den Titel .Brigade der sozialistischen Arbeit". Mit einer dieser Brigaden, der Jugendbrigade „Junge Garde", sprachen wir. Die neun Brigademitglieder schlossen sich im Februar 1960 zusammen. Jetzt stehen sie mit vier Brigaden des Betriebes im Wettbewerb. Bei der Auswertung des l. Quartals im Wettbewerb der Brigaden des Werkzeugbaues errang die Jugendbrigade „Junge Garde" mit deutlichem Vorsprung vor den anderen den 1. Platz. Bild 1 zeigt die erste Schicht der Brigade bei der Kontrolle der Erfüllung einer Verpflichtung im Brigadetagebuch, das vom Brigadier Legier selbst geführt wird.
Diese Auswertungen werden ständig durchgeführt, sie umfassen speziell die Kontrolle der abgegebenen Verpflichtungen zu besserer Arbeit und im NAW, die Auswertung der abgegebenen Verbesserungsvorschläge und ihres Nutzens.
Bild 2 zeigt die gute Wettbewerbsdurchführung an der Wettbewerbstafel der Abteilung Werkzeugbau. Ausgefallene Stunden, z. B. entweder durch eigenes Verschulden oder durch Betriebsunfälle, werden von der Brigade aufgeholt. Das sozialistische Lernen spiegelt sich in der Delegierung zweier Brigademitglieder zum Fachschulstudium wieder. Außerdem besitzt die Brigade eine eigene Bücherei.
Der Urlaub wird gemeinsam an der Ostsee verbracht, Wochenendfahrten nach Ostrau, Bad Schandau usw. sind Beispiele gemeinsamer Freizeitgestaltung.
Ein gutes Beispiel gab die Brigade zum 8. März, dem Internationalen Frauentag. Sie übernahm die Produktion der Frauen und konnte an den Drehautomaten zu Ehren des Frauentages eine 200prozentige Normenerfüllung erreichen. Patenschaften wurden über das 5. Semester der Glashütter Fachschule* und über die 10. Klasse der polytechnischen Oberschule übernommen.
Alle Mitglieder der Brigade gehören der FDJ und der DSF an, zwei sind Kandidaten der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Die Brigadeschulung, in der auch die Unfallverhütung einen wichtigen Platz einnimmt, wird vom Paten der Brigade, Koll. Hoyer, regelmäßig durchgeführt.
Eine andere, schon länger bestehende Brigade, die Brigade „Vorwärts" mit ihrem Brigadier Koll. Hippe, war 1959 beste Brigade des Betriebes. Mit der Abteilung Technologie besteht eine sozialistische Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel, die Güte und Qualität der Erzeugnisse des Betriebes ständig zu heben. Dazu ist die Mitarbeit aller Brigaden unerläßlich.
Um diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen, wurden mit der Brigade Liebeheim diese Probleme diskutiert und ein gemeinsamer Aufruf erlassen:
Die Brigade „Vorwärts" war sowohl im Betrieb als auch im Kreis die erste Brigade, Ihre Verpflichtung im NAW hat sie übererfüllt. Gemeinsam besichtigten sie die Gedenkstätte Buchenwald. Buchbesprechungen erweitern das Blickfeld der zehn Mann, die überdies mit den Kameraden der Grenzstation Zinnwald in reger Verbindung und in Gedankenaustausch stehen."
Der Problematik, dass an den hoch spezialisierten Arbeitsplätzen bei einem personelen Ausfall oft ganze Produktionslinien mit betroffen waren, wollte man durch betriebsinterne Qualifizierung und einer damit verbundenen mehr oder weniger multifunktionalen Einsetzbarkeit entgegenwirken. Anhand von Beispielen werden einige dieser Arbeitsplätze sowie die daran arbeitenden Kolleginnen und Kollegen vorgestellt.
„Die Brigademitglieder wollen mit Hilfe der Erwachsenenqualifizierung die Fähigkeiten für einen zweiten Arbeitsplatz erwerben. Für die technische Schulung haben sich mehrere Technologen zur Verfügung gestellt.
Unter anderem werden von der Brigade die schraubenlosen Unruhen für die Damenarmbanduhr Kaliber 63 gefertigt. Die im Betrieb selbst entwickelte halbautomatische Unruhdrehmaschine ist eine große Hilfe bei der schnelleren Fertigung solcher Teile (Bild 3).
Eine weitere Hochpräzisionsmaschine ist die Doppelrollendrehmaschine (Bild 4), die von der Kollegin Arndt bedient wird.
Um sich einmal einen Begriff von der Größe und der Präzision der mit der Unruh- und der Doppelrollendrehmaschine gefertigten Teile machen zu können, haben wir in Bild 5 die schraubenlose Unruh Kaliber 63 und eine Doppelrolle gegenübergestellt, links zum Vergleich ein Streichholz.
Bild 6 zeigt einige dieser Unruhen, die nur einen Durchmesser von 7,12 mm haben.
In acht Stunden werden 1000 bis 1100 Stück hergestellt.
Die Bearbeitung geschieht mittels Drehdiamanten, um eine polierte Oberfläche zu erhalten.
Die Drehmaschine arbeitet halbautomatisch und wird hydraulisch gesteuert. Die Fertigung der Unruh umfaßt ungefähr 20 verschiedene Arbeitsgänge.
In der Abteilung l b arbeitet der Bereich Automatensaal als sozialistische Abteilung. Im hellen, neu erbauten Arbeitssaal stehen hauptsächlich
Langdrehautomaten Typ 652 vom VEB UMF Ruhla Hier werden, um einige Beispiele zu nennen, Doppelrollen für die Kaliber 60 bis 63, Hemmungstriebe, Unruhwellen,
Minutentriebe und Schrauben bis 0,35 mm Durchmesser hergestellt.
Einige Brigademitglieder seien bei ihrer Arbeit vorgestellt.
Die vom Kollegen Walter bedienten Triebschneidemaschinen werden für die Fertigung von verzahnten Trieben aller Kaliber verwendet.
Laufwerksräder werden an der Verzahnungsmaschine im Abwälzverfahren gefertigt. Der Kollege Bardua ist mit diesem Arbeitsgang beschäftig. Bild 9
Die Kollegin Herrmann (Bild 10 ) arbeitet an einer doppelspindligen Zapfenrolliermaschin.
Zum Polieren der Zähne von Laufwerkstrieben wird die von der Kollegin Heber bediente Maschine benutzt (Bild 11)
Es war unmöglich, alle Glashütter Brigaden vorzustellen und die erwähnten im vollen Umfange ihres Wirkens zu zeigen. Es geht nicht alles glatt bei diesen Schritten zur wahren sozialistischen Gemeinschaft. Widersprüche zwischen dem „Ich" und dem „Wir" müssen überwunden werden, und der „alte Adam" (oder die „alte Eva") im Innern eines Menschen ist oft ein zäher Bursche. Aber das sind keine ernsthaften Hindernisse auf unserem gemeinsamen Wege.
Die Redaktion möchte weiterhin mithelfen, die sozialistische Gemeinschaftsarbeit nach besten Kräften zu fördern. Welche Brigade schreibt uns (nicht nur aus dem VEB GUB!) von ihren Erfolgen, aber auch von ihren Schwierigkeiten? Gemeinsam wird es uns leichter, die ökonomische Hauptaufgabe zu lösen und die Ziele des Siebenjahrplans zu erfüllen. Gemeinsam werden wir den Sieg des Sozialismus erringen!“
Der Beitrag in der Fachzeitschrift bietet einen kleinen Einblick in den seit den 1950er Jahren bis zum Ende der DDR von stattlicher Seite aus allumfassend propagierten „sozialistischen Wettbewerb“ der in „Brigaden der sozialistischen Arbeit“ mit Medallien, Urkunden und nicht zuletzt auch mit materiellen Anreizen versehenen kampagnenartig Jahr für Jahr geführt wurde.
Die vielfältigen Initiativen sollten helfen, die immer stärker sichtbar werdenden Probleme in der zentral geleiteten Planwirtschaft wenigstens einigermaßen zu kompensieren. Diese Versuche waren - wie bekannt - letztendlich aber doch zum Scheitern verurteilt.
* frühere Deutsche Uhrmacherschule und ab 1951 Fachschule für Feinwerktechnik
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliege, entsprechend ergänzt.