Die fortschreitende Industrialisierung und der steigende Bedarf für bestimmte Produkte, der sich auch bei Uhren für den täglichen Gebrauch in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte, verlangte auch im Uhrmachergewerbe eine Abkehr von dem bisher üblichen Fertigungsverfahren, in dem eine Uhr von Anfang an bis zu ihrer Vollendung in einer Hand blieb und nur eine Einzelanfertigung gestattete.
Ferdinand Adolf Lange hatte, bevor er 1842 nach Dresden zurück kam, bei seinem Aufenthalt in der Schweiz ein arbeitsteiliges Fertigungs-verfahren für Uhren kennen gelernt, was durch die Aufgliederung in bestimmte, eng abgegrenzte Arbeits-bereiche und die Aufteilung dieser Arbeiten auf verschiedene Spezialisten das Potential für eine wesentlich höhere Arbeitsproduktivität und Qualitätssteigerung beinhaltete.
Da ein solches Fertigungsverfahren für Taschenuhren in Deutschland noch nicht praktiziert wurde, sah Adolf Lange darin eine Chance für die Entwicklung einer eigenen Firma, aus der heraus sich eine Präzisionsuhrenindustrie auf der Basis eines Verlagssystems entwickeln ließe. Voraussetzung war neben den eigenen finanziellen Mitteln und einer entsprechenden Anschubfinanzierung aber die Ausbildung der verschiedenen Spezialisten für die einzelnen Arbeitgebiete.
Die von Adolf Lange entwickelte Aufteilung sah folgende Arbeitsbereiche als Zulieferer für die Endfertigung in einer Uhrenfabrik vor.
1. Gestellmacher, 2. Repasseure, 3. Aufzugmacher, 4. Zeigerwerkmacher, 5. Triebmacher, 6. Steinschleifer, 7. Steinfasser, 8. Schraubenmacher, 9. Gangmacher, 10. Unruhmacher, 11. Vergolder, 12. Finiseure, 13. Repetitions- bzw. Chronografenmacher, 14.Visiteure, 15. Gehäusemacher, 16. Guillocheure, 17. Graveure sowie 18. Regleure.
Diese auszubildenden Spezialisten sollten ihre Produkte aus eigenen Firmen heraus nach vorgegebenen Qualitätsmaßstäben in vereinbarten Stückzahlen und Preisen an Uhrenfabriken liefern. Die Ausbildung wollte Adolf Lange gemeinsam mit seinem Schwager Adolf Schneider selbst übernehmen. Diese Idee wurde der sächsischen Landesregierung zwecks Bereitstellung der nötigen Kreditmittel unterbreitet und schlussendlich ab dem 7. Dezember 1845 in Glashütte in die Tat umgesetzt.
Es hatte 20 Jahre harter Arbeit bedurft, bis sich das Verlagssystem und die Glashütter Präzisionstaschenuhr ausgereift war. Da zeichnete sich zu Beginn der 1870er Jahre, dieses mal am amerikanischen Horizont, mit den Firmen Waltham Roxbury, Massachusetts und Elgin, Illineus ein neue, wesentlich produktivere Technologie, die der industriellen Massenfertigung, bei der Uhrenfertigung ab.
Waren es bei Einführung dieser neuen Fertigungsmethoden auch noch Uhren, deren Qualität weit unter der der Glashütter Präzisionsuhren lagen, so sollte sich bald herausstellen, dass in Fragen der Qualität ein erhebliches Entwicklungspotential mit dem entsprechenden Profitversprechen vorhanden war.
Für die Glashütter Uhrenindustrie war das insofern von Bedeutung, als dass der amerikanische Markt der Hauptabnehmer ihrer, für den Deutschen Markt zu teuren Qualitätsprodukte war.
Die fortscheitende Entwicklung auf dem Sektor des Maschinenbaus ermöglichte eine mechanisierte und mehr und mehr automatisierte Fertigung von Uhrenbestandteilen in erheblichen Größenordnungen zu unschlagbar günstigen Preisen. Dazu war eine eher handwerklich geprägte Hausindustrie im Verlagssystem, wie sie in Glashütte, aber auch noch in der Schweiz ansässig war, nicht in der Lage. 1876, ein Jahr nach dem Tod von Ferdinand Adolf Lange, dem Gründer der Glashütter Uhrenindustrie, wurde anlässlich der in Philadelphia stattfindenden Weltausstellung das Dilemma offenbar. Der Konkurrenzkampf zwischen den althergebrachten und den modernen Fertigungsmethoden sollte sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter verstärken und viele kleinere Firmen vom Markt verdrängen. Einige Hersteller in der Schweiz, wie z.B. IWC International Watch Co. AG, aber auch die Uhren Fabrik A. Eppner & Co in Silberberg/Schlesien, setzten auf die neue Technologie, die allerdings einen hohen Investitionsaufwand an modernen Maschinen bedurfte. Auch war nicht mehr der hoch spezialisierte Handwerker, sondern eher der Industriearbeiter, der die Maschinen und Automaten bediente, gefragt.
Diesen Trend der neuen Zeit erkannte rechtzeitig auch der Dresdener Großhändler Johannes Dürrstein, der mit der Firma A. Lange & Söhne
durch einen Exklusiv-Vertrag mit günstigen Rabattmargen für den Verkauf von Produkten der Firma in Deutschland, verbunden war. Aufgrund der fertigungsbedingt hohen Preise der Lange Uhren
gestaltete sich der Absatz im Deutschen Reich als sehr schwierig, was einen aufstrebenden Großhändler wie Johannes
Dürrstein dazu veranlasste Mittel und Wege zu suchen, sein Geschäft so aufzustellen, dass es auch in Zukunft wachsen und gedeihen konnte. Er trat mit Richard und Emil Lange, den Söhnen des
Firmengründers, in Verhandlungen um zu erreichen, dass in Zukunft auch vermehrt qualitativ hochwertige Uhren zu niedrigeren Preisen von der Firma Lange entwickelt und gefertigt werden
sollten.
Er erkannte aber auch rechtzeitig, dass man im Haus Lange den neuen Technologien nicht in dem Maße aufgeschlossen genug gegenüber stand, wie er dass in Anbetracht der sich rasant entwickelnden Mechanisierung und Automatisierung auf dem Uhrensektor für erforderlich hielt.
Auch aus diesem Grunde baute er nach 1876 seine Geschäftsbeziehungen in der Schweiz, bis hin zu einer eigenen Taschenuhrfertigung unter der Marke Union, immer weiter aus. Sein Ziel war die Fertigung einer preiswerten und doch qualitativ guten Taschenuhr in hoher Stückzahl, was schlussendlich nur mit einer neuen Technologie, der so genannten Schablonenuhrfertigung, zu erreichen war.
So entwickelte sich für die Firma Lange eine durchaus erstzunehmende Konkurrenz, die 1892 u.a. auch zur Auflösung des Exklusiv-Vertrages mit dem
Hause Dürrstein führte. Ein Jahr später, Anfang 1893, ließ Johannes Dürrstein Teile seiner Schweizer Schablonenuhrfertigung der Marke Union (Glocke) nach Glashütte in vorerst gemietete Räume
verlagern. Er gründete in Glashütte 1893 die Uhrenfabrik Union Glashütte und begann unter der technischen Leitung von Julius Bergter mit modernerer Technologie die Fertigung echter Glashütter
Präzisionsuhren. In Bezug auf die Hemmungsparte bediente man sich noch der in der Glashütter Verlagsindustrie gefertigten Teile.
Die nachstehend abgebildete Union Taschenuhr mit der Werknummer 12624, ist eine der ersten, die von der Uhrenfabrik "Union Glashütte" Dürrstein & Comp. Dresden in Glashütte 1893/94 gefertigten, echten Glashütter Präzisionstaschenuhren.
Werk und das zu dieser Uhr gehörige 585er Goldgehäuse sind Nummerngleich. Das Zifferblatt weist mit der Aufschrift "Uhrenfabrik Union Glashütte bei Dresden", genau wie die "Schutzmarke ", noch die erste Kennzeichnung der Glashütter Union Uhren auf. Die Hemmungsteile stammen aus der Glashütter Verlagsindustrie. Die Fabrikmarke mit dem stilisiertem Tempel wurde erst 1895/96, zwei Jahre später eingeführt.
Einen Ausführlichen Beitrag über diese fast zwei Jahrzehnte andauernde Entwicklung finden Sie in den nachfolgenden Artikel im PDF Format.
Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt den derzeitigen Kenntnisstand dar und wird, wenn neue verifizierbare Erkenntnisse vorliegen entsprechend ergänzt.